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Full text of "Adlmaier, Conrad - Der Blick in die Zukunft (1955)"

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ZUKUNFT 


♦ 

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Vorwort zur 2. Auflage 


(op\ right 1955 by Dr. C. Adlmaier, Traunstein 
Druck und Verlag: 

Chiemgau-Druck, Traunstein /Obb., Ludwigstraße 13 
• Telefon 4619 

Alle Hechte Vorbehalten! 

Nachdruck, 

vueh auszugsweise, wird strafrechtlich verfolgt! 


Nach jahrelangem Zögern habe ich mich nun ent- 
schlossen, den zahlreichen Bitten nach einer zwei- 
ten Auflage de.» Büchleins „Blick in die Zu- 
kunft“ nachzugeben. Das Ergebnis dieser Jahre 
dauernden Forschungen lege ich dem Leser vor. 
Dabei möchte ich nicht unterlassen, einige grund- 
legende Punkte über Prophezeiungen und irdi- 
schen herauszuheben. 

Erste Frage: Gibt es überhaupt, so wird mancher 
sagen, so etwas wie Prophezeiungen? Für den 
Menschen, der an Gott glaubt, an einen Gott, 
der in seiner Barmherzigkeit väterlich für seine 
Kinder sorgt, wird die warnende Prophezeiung 
keine Frage sein. Die heilige Schrift liefert uns 
unzählige Beweise dafür, daß der Lenker der 
Wcltenschicksalc besonders vor großen Kata- 
strophen immer wieder durch Propheten seine 
warnende Stimme erhob und die Generationen 
mahnte, Buße zu tun und um Abwendung der 
göttlichen Strafgerichte zu beten. Daraus ergibt 
sich die Tatsache, daß manches vorausgesehene 
Unheil abgewendet werden kann. Die meisten 
Voraussagungen sind daher konditionell, d. h. sic 
erfüllen sich nur unter gewissen Umständen, die 
zum größten Teil in der geistigen Situation 
liegen. Das Beispiel des Propheten Jonas ist 
aufschlußreich genug. Der Hellseher sicht nun 
ein Ereignis, wie es sich abspielen könnte und 


r 


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abspielen wird, wenn cs der Wille Gottes so 
will. Es ist aber nicht bloß der Glaube der 
katholischen Kirche, daß durch die Fürbitte der 
allcrseligsten Jungfrau der Arm der göttlichen 
Gerechtigkeit aufgehalten wird. Wenn im Jahre 
1950 das Unheil des 3. Weltkrieges nicht herein- 
brach, dann wird dies auf das von Papst Pius XIF. 
verkündete Dogma der Assumptio, der Aufnahme 
Mariens in den Himmel, zurückgeführt. Denn 
auch im geistigen Feld der Kräfte, in dem wir 
leben, gibt cs Dinge, die wir wohl ahnen über 
nicht wissen. Wer diese Meinung ablehnt, den 
erinnern wir an die Ereignisse der letzten fünf 
Jahre, in denen dutzendc von Malen das Schick- 
sal der Menschheit auf des Messers Schneide 
stand. 

Zweite Frage: Muß ein Hellseher ein Heiliger 
sein!' Diese Frage ist zu verneinen. Das Schauen 
in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist eine 
Gabe, die gratis gegeben wird (gratia gratis data). 
Es hat viele Heilige gegeben, die solche Gaben 
besaßen. Es gibt aber Hellseher, die man nicht 
als Heilige bezeichnen kann. Aber sie haben die 
Gabe des Ilellsehens. 

Dritte Frage: Ist es nicht grausam, dem armen 
Volk an bestimmten Landstrichen oder Orten 
solche Heimsuchungen vorauszusagen? Wird da- 
durch nicht große Angst und Furcht verbreitet? 
Dazu sei gesagt, daß der letzte Weltkrieg be- 
wiesen hat, daß im größten Schlachtenwirbcl 


und Bombenhagel vielen Soldaten und Zivilisten 
kein Haar gekrümmt wurde, daß das Schicksal 
jedes einzelnen Menschen in Gottes Hand liegt 
und daß die Angst vor der Zukunft das Privileg 
jener Menschen ist, die an keinen Gott glauben 
und darum kein Gottvertrauen haben. Schließlich 
könnte man die Frage auf werfen, ob denn der 
Tod nicht das Tor aufstößt zu einem seligen 
ewigen Leben, in dem es kein Leiden, keinen 
Hunger, keine Angst, keinen Schmerz mehr gibt 
für den, der zum Vater heimgeht. 

Aus unzähligen Briefen habe ich entnommen, daß 
mit Ausnahme von drei Zuschriften die kleine 
Schrift das größte Interesse gefunden hat. Bis 
von Afrika, Rotchina, Amerika, England, Irland, 
den nordischen Ländern usw. habe ich Zuschriften 
bekommen. Leider wurde das Büchlein auch in 
der schamlosesten Weise ausgCstohlen. Ich habe 
keinen einzigen der zahllosen literarischen Diebe 
verfolgt. Ich stelle nur die Tatsache fest. 

W as dem Brunnenbauer Irlmaier alles nachgesagt 
wurde, grenzt an das Aschgraue. Daß aus seinem 
kleinen Haus, das er sich aus dem Erlös seines 
Handwerks mit eigener Hand baute, ein fürst- 
licher Palast gemacht wurde, ist noch das We- 
nigste. Der Mann hat sich verbittert vollständig 
zurückgezogen. Wenn er die schäbige Gesinnung 
so mancher seiner Kritiker hätte, wäre er längst 
ein reicher Mann und kein kleiner Handwerker 
inehr, der bei seinem Beruf oft genug das Leben 


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riskieren muß. Trotzdem ist seine Gabe als Ruten- 
gänger und als Hellseher eine Tatsache, die er 
immer Mieder unter Beweis gestellt hat. Daß er 
sich in der Zeitangabe irrte, liegt teils in seiner 
Einfachheit, teils ist es das Schicksal aller Hell- 
seher, die Gesichte auf eigene Faust zu deuten 
suchen. Bei Gott ist kein Zeitbegriff sondern nur 
das Ereignis. 

Möge auch die 2. Auflage des Büchleins unserer 
armen Generation nicht Furcht sondern Gott- 
vertrauen einflößen, das ist der Zweck dieser 
Schrift. 

Traunstein, den 21. Januar 1955 

Dr. Adlinaier 


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Der Sefier 


Dom 23attcnfct)cn s lBnlb 


genannt 


„M üfilfiiasl’’ 


Das, was hier von einem merkwürdigen Menschen 
an der Wende des 18. Jahrhunderts erzählt wird, 
stützt sich auf schriftliche und mündliche Ueber- 
lieferung, auf die Ermittlungen, die einen Zeit- 
raum von nahezu fünfzig Jahren umfassen und 
daher schon vor Eintritt gewisser Ereignisse 
niedergeschrieben waren. Denn nicht der Leich t- 


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gläubigkeit oder dem Aberglauben soll Vorschub 
geleistet werden, sondern einer heilsamen Furcht 
\or Strafgerichten, die unabwendbar sind, wenn 
die Menschheit die Wege weitergeht, die sie 
seit einem Jahrhundert eingeschlagen hat. Was 
hier an Prophezeiungen gemeldet wird, kannst 
du lieber Leser, glauben oder nicht. Es ist auch 
nicht gesagt, daß alles in Erfüllung gehen muß. 
denn durch das Gebet frommer Seelen kann 
viel abgewendet werden. Eines aber ist sicher 
wahr: Es hat Menschen gegeben und es gibt auch 
in der Gegenwart Menschen mit einer eigen- 
tümlichen Gabe. Sie können durch innerliche 
Schaumig die Grenzen von Raum und Zeit über- 
b rucken, sie sehen Ereignisse, die sich zukünftig 
abspielen werden, in plastischen Bildern, wie 
wir etwa im Kino etwas anschauen. Das ist 
keine Phantasie, sondern wissenschaftlich nach- 
gewiesen. 

Ein solcher Seher war der Mühlhiasl vom Baye- 
rischen Wald. Heber ihn erzählt das Volk merk- 
würdige Dinge, heute noch, nach über 100 Jahren, 
eine Tatsache, die bei einem Besuch in seinem 
Geburtsort Apoig, Pfarrei Hunderdorf, unweit 
von Bogen, jeder selbst feststellen kann. 

In schicksalsschweren Zeiten, wenn Not und Krieg 
und Elend herrschen, da gräbt das Volk gern alte 
W eissagungen und Sprüchlein aus, die von Mund 
zu Mund gehen, verschwinden und wieder auf- 
tauchen, manchmal niedergeschrieben werden und 
„ l,n geprüft werden können. In einem alten 
Meßbuch stand z. B. 1902 der lateinische Spruch: 
„Quando Marcus Pascha dabit totus rnundus Vac 
clamabit“ („Wenn Ostern auf den Markustag 


fällt, schreit Wehe die ganze Welt!“). Im Jahre 
1913 war es so weit, und 1914 schrie die Welt 
auf im fürchterlichen Krieg. Oder jener Spruch: 
„1911 ein Glutjahr, 1912 ein Flutjahr, 1913 ein 
Blutjahr“, wobei allerdings auch erst 1914 der 
Krieg mit seinen Blutopfern eintrat. Wer erinnert 
sich nicht daran? Am meisten verbreitet waren 
aber die Voraussagungen des Mühlhiasl, die teil- 
weise schon in Erfüllung gegangen sind. Darum 
wollen wir alles, was noch zu erfahren war, hier 
festhalten. 

Persönliches vom Mühlhiasl 
In einer Abhandlung über diesen merkwürdigen 
Mann, die der Pfarrer und Dekan zu Pinkofen 
bei Eggmühl, Johann Ev. Landstorf er (gestorben 
am 26. März 1949 in Oberaltaich im Alter von 
66 Jahren), im Altöttinger Liebfrauenboten im 
Juni 1923 veröffentlichte, wird zum, erstenmal 
eine ausführliche Niederschrift sowohl über die 
Person wie über die Voraussagungen des Sehers 
vom Bayerwald gegeben. Nachforschungen in der 
Pfarrei Hunderdorf ergaben, daß Pfarrer Lands- 
torfer mit Recht den auf der Mühle in Apoig 
am 16. September 1753 geborenen Müllerssohn 
Mathias (Mathäus?) Lang als den Mühlhiasl bc- 
zeichnete. Die Eintragung in der Matrikel der 
Pfarrkirche in Hunderdorf lautet: „Am 16. Sep- 
tember 1753 wurde getauft Mathäus, legitimer 
Sohn des Mathias Lang, Müllers in Apoig. und 
seiner Frau Anna Maria, geborener Iglberger von 
Grub, Taufpate Georg ßayr von Buchberg. Die 
Taufe spendete Pater Johann Nep. Altmann vom 
Kloster Windberg.“ Heber Heirat und Tod ver- 


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Die Mühle von Apoig 


zeichnen die Kirchenbücher nichts. Das Bild von 
der Mühle in Apoig zeigt die Geburtsstätte des 
Mühlhiasl. Bei einem Besuch erzählte uns der 
jetzige Müller, daß von dein Waldpropheten sei- 
nerzeit, als er vertrieben wurde, eine Voraus- 
sage auch für diese Mühle gemacht wurde. Er 
sagte: „Auf dieser Mühle wird nie mehr ein 
männlicher Erbe geboren werden.“ Seitdem sind 
drei Müller in Apoig im Laufe von 150 Jahren 
aufgezogen. Kinder gab es viele, aber keinen 
einzigen Buben bis zum heutigen Tag. Pfarrer 
Landstorf er war nach der dankenswerten Mit- 
teilung des Expositus Georg Hofmann von 
Schönau, der ein beachtenswerter Sammler aller 


Quellen über den Mühlhiasl ist, ein Ercund des 
ehrwürdigen greisen Pfarrers Johann Georg Mühl- 
bauer. Dieser Priestergreis starb 1921 (18. Mai) 
als Kommorant in Pinkofen im Alter von 93 Jah- 
ren. Dessen Vater, der 97 Jahre alt wurde, soll 
noch ein besonderer Freund des Mühlhiasl ge- 
wesen sein. Von Pfarrer Mühlbauer erhielt Lands - 
torfer nach seiner eigenen Aussage das Material 
zu seinem Artikel im „Altöttinger Liebfrauen- 
boten“. Die mündliche Tradition ist also lücken- 
los. Daß bei diesen hochachtbaren Priestergreisen 
kein Schwindel getrieben wurde, ist selbstver- 
ständlich. An ihrer Glaubwürdigkeit ist nicht zu 
zweifeln. 

Schon als Kind soll der wahrscheinlich von 
seinem Vater, der auch Mathias geheißen hat, als 
Hiasl angesprochene Bub etwas „bsunderlich“ ge- 
wesen sein, sonst aber war er ein heiterer, auf- 
geschlossener Mensch, den Ehrenhaftigkeit und 
Religiosität auszeichneten. Wahrscheinlich er- 
lernte er das Müllerhandwerk und reiste später, 
als er die väterliche Mühle wegen Nichtzahlung 
der Stiftsgelder an das Kloster Windberg ver- 
loren hatte, als sogenannter Mühlarzt im Lande 
herum, d. h. er richtete und schärfte die Mühl- 
steine und war beliebt und geachtet uud ein gern 
gesehener Gast. Wo und wann er starb, ist 
aktenmäßig nicht nachweisbar. In Hunderdorf 
jedenfalls wurde er nicht begraben, da die Ma- 
trikeln keinen diesbezüglichen Hinweis enthalten. 
Eine unbestätigte Meinung geht dahin, daß er 
um 1825 im Krankenhaus Straubing oder Deggen- 
dorf starb und daß die Leiche dann zu seinem 
Begräbnisort auf einem offenen Wagen über Land 


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gefahren wurde. Was sich dabei ereignete, wer- 
den wir später hören. 

Zur Charakteristik des Mühlhiasl schrieb Pfarrer 
Landstorfer folgendes: 

„Die Persönlichkeit des Mühlhiasl, wie sie sich 
spiegelt in eigenen Aeußerungen wie in fremden 
Schilderungen, ergibt das Bild eines ausgesproche- 
nen Originals, eines seltsamen, eigenartigen, ge- 
mütstiefen und treuherzigen Sonderlings. Kern- 
haften Glaubens und ernster Lebensauffassung, 
war er überall daheim, überall wohlgelitten, nir- 
gends vergessend, den Leuten fleißig von der Zu- 
kunft zu erzählen. Ob er fischt im Eglseer 
Weiher, ob er im breiten Miihlwasser von Apoig 
im Kahn die frohe Jugend spazieren fuhr, ob er 
von Bergeshöhen über Landstrecken dahinschautc, 
überall fühlte er sich gedrängt, eben im Zusam- 
menhang mit dem jeweiligen Standort von den 
kommenden Zeiten zu plaudern und die zukünf- 
tige Gestaltung der Landschaft und des Volks- 
lebens zu beschreiben.“ 

Nach anderen Mitteilungen soll der Mühlhiasl 
seine Prophezeiungen in Versform zur Gitarre ge- 
sungen haben, doch ist das wenig wahrscheinlich. 
Außerdem soll eine lateinische Handschrift exi- 
stieren, die aber aus Furcht vor der nationalsozia- 
listischen Verfolgung verschwunden ist. In dieser 
Handschrift, die wahrscheinlich von einem Prä- 
monstratenser des Klosters Windberg verfaßt 
wurde, soll .ein Großteil der Voraussagen nieder- 
gelegt sein. Leider ist dieses wichtige Dokument 
nicht auffindbar und befindet sich in Privathand 
oder ging während des zweiten Weltkrieges ver- 
loren. 


Der Doppelgänger Matthias Stormberger 
von Rabenstein 

Ernst v. Wolzogen veröffentlichte im „Berliner 
Tagblatt“ vom 1. Dezember 1931 einen Artikel: 
„Die Verkündigung des Waldhirten“, w'obei er 
sich auf den Schriftsteller Schrönghamer-Heiin- 
dahl berief. Nach ihm hieß der Waldprophet 
angeblich Matthias Stormberger (vermutlich 
mundartlich „Starnberger“), der 1750 bis 1760 
als heimat- und elternloser Bursch in dem Dorf 
Rabenstein bei Zwiesel auf tauchte. Dies ist ent- 
weder eine Verwechslung mit irgendeinem Hir- 
ten jener Gegend oder falsch berichtet, denn die 
jenem Stormberger in den Mund gelegten Vor- 
aussagen decken sich fast völlig mit den Weis- 
sagungen des Mühlhiasl.“ 

Wir sind auch dieser Sache gründlich nach- 
gegangen. Es stellte sich heraus, daß der Exkon- 
ventuale von Windberg. Pater Blasius Pfeiffer, 
nach der Säkularisation des Prämonstratenser- 
klosters Windberg als Schloßbenefiziat nach 
Rabenstein ging und dort am 17. März 1828 ge- 
storben ist. Dies teilt der Familienforscher Ex- 
positus Hofmann mit. Derselbe ist auch der 
Leberzeugung, daß P. Blasius die Prophezeiungen 
des Mühlhiasl genau kannte, daß er sie nieder- 
schrieb, aber, um den noch lebenden Wald- 
propheten nicht nennen zu müssen, den Hirten 
von Rabenstein erfunden hat. Es handelt sich 
also hier lediglich um ein Pseudonym, der Seher 
von Rabenstein, „Stormberger“, und der Mühl- 
hiasl sind identisch. So ist auch diese strittige 


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Sache geklärt, wie auch ein neuerer Forscher, 
P. Norbert Backmund, ein belgischer Prämonstra- 
tenser, der gleichen Anschauung ist. 

Die Vorausgesichte des Mühlhiasl 

W as hat nun der Seher von Apoig prophezeit? 
Das wollen wir im Nachfolgenden genau , nach den 
alten Schriften und der hundertfachen mündlichen 
Ueberlieferung unseren Lesern bekanntgeben. 

Mit verblüffender Genauigkeit sagte er Dinge 
voraus, von denen man zu seiner Zeit, in der 
W ende zwischen 1790 bis 1820, keine Ahnung 
haben konnte. Es gab damals keine Dampf- 
maschine, keine Elektrizität, keine Eisenbahn, 
kein Fahrrad, kein Auto, kein Vlugzeug. Und doch 
hat der Iliasl solche Dinge klar erkannt und vor- 
ausgesagt. Wir wollen seine Gesichte in vier Ab- 
teilungen gliedern, und zwar: 

1. Ihn selbst und seine Bekannten betreffend. 

2. Politische und sachliche Umstände vor der 
großen Katastrophe. 

3. Die Weltkriege. 

4. Der Bankabräumcr und hernach. 

Persönliche Voraussagungen 

Obwohl der Mühlhiasl überall beliebt war, kam 
er doch mit den Prämonstratensern des „Klosters 
Windberg in Konflikt. Die Mühle von Apoig 
mußte an das Kloster das Stiftgeld zahlen und 
der Iliasl kam damit in Verzug. Durch schlech- 
tes Getreide und damit schlechtes Mehl waren 
bald Schwierigkeiten da. Nach öfteren Mahnungen 


kam der Bescheid des Klosters, der Mühlhiasl 
wurde „abgestiftet“, d. h. die Mühle an einen 
anderen Müller vergeben. Im Jahre 1803 verbot 
der Prior dem Müller, der Einspruch erheben 
wollte, das Betreten des Klosterhofes. Da sagte 
der Seher: „Grad so wie ihr mich heute hinaus- 
lut, tun sie euch selber hinaus. Ich kann gehen, 
ihr aber müßt’s laufen. Ich darf wieder herein, 
ihr aber dürft nicht mehr herein. Zu den Fen- 
stern schauen Weiber und Kinder heraus und 
Brennesseln wachsen im Kloster.“ Sechs Wochen 
nach diesem Vorfall traf der Befehl der Säku- 
larisation im Kloster ein. Als die Mönche diesem 
Befehl nicht Folge leisteten, kam eine Exekutiv- 
kommission, die die Prämonstratenser zwang, 
Hals über Kopf das Kloster zu verlassen. So bru- 
tal ging diese Kommission vor, daß zwei Patres, 
die im Bach zu Gaishausen gefischt hatten, kei- 
nen Fuß mehr über die Schwelle des Klosters 
setzen durften, um wenigstens noch ihre ^Kleider 
holen zu können. Das war am 1. April 1803. 
Fleute ist ein Teil des Klosters wieder im Ge- 
brauch des Prämonstratenserordens, aber die Wei- 
ber und Kinder schauen auch jetzt noch aus den 
Fenstern, weil viele Flüchtlinge dort einquartiert 
worden sind. 

In Großlindatji, einem kleinen Ort der Pfarrei 
1 Funderdorf, redete der Mühlhiasl einmal mit 
dem alten Bognervater vom kommenden grollen 
Krieg. Während des Gesprächs zupfte und knetete 
der Iliasl in freundlicher Neckerei das Olir des 
dabeistehenden Enkels des Bognervaters. Dabei 
fing der Kleine zu weinen an. Da tröstete ihn 
der Seher mit der Versicherung: „Woan net, 


Büabei, du bist beim großen Kriag net dabei, 
deine Buam auch 'net, aber dene ihre Buam 
kommen gwiß dazu.“ Dabei meinte der Mühl- 
hiasl den ersten Weltkrieg, von dem er gesagt 
batte: „Der FCloane fangt’n an, der Große übern 
Wasser macht’n aus.“ Uebrigens waren die Bog- 
nersöhne, die Enkel jenes weinenden Knaben, alle 
im ersten Weltkrieg eingerückt. 

„Ich komme euch als Toter noch aus!“ 

Uebcr sich selbst machte der Hellseher noch eine . 
grausige Vorhersage. Er meinte lachend: „Wenn 
i amoi gstorbn bin, kitnm i euch doch noch ein- 
mal aus.“ Nach der Erzählung des Priestergreises | 
Dr. Ebner, dessen Vater den Iliasl noch persön- 
lich kannte, starb der Mühlhiasl als betagter 
Mann im Jahre 1825 im Krankenhaus zu Strau- 
bing. Mit einem Ochsengespann auf offenem 
Wagen wurde die Leiche im Sarg über Land ge- 
fahren, um zur Beerdigung abgeliefert zu wer- ! 
den. Bei einer Straßenbiegung, an der eine steile 
Böschung war, scheuten die Ochsen, ein Rad ! 
brach, der Wagen kippte um, so daß der Sarg 
die Böschung hinunterkollerte. Dabei ging der 
Deckel auf und der Leichnam flog heraus. Der 
entsetzte Fuhrmann sprang der Leiche nach, so 
daß es aussah, als ob er den Toten fangen wollte. ! 
So ging auch diese Voraussage in Erfüllung. Nach I 
anderen Mitteilungen knüpfte der Mühlhiasl an 
diese Prophezeiung den Satz: „Glauben tut’s es 
mir ja doch nicht, was ich euch Voraussage. 
Darum werde ich euch noch als Toter ein Zeichen ' fl 
geben, das ihr nicht übersehen werdet.“ Die I 
Sitte übrigens, die Toten mit einem Ochsen- 


gespann auf einem sogenannten Brückenwagen, 
der mit Stroh ausgelegt war, über Land zu fah- 
ren, ist historisch beglaubigt. 

Der eiserne Wolf und das unfertige Haus 

Bedeutungsvoller waren die Prophezeiungen des 
Mühlhiasl über zukünftige Zustände in Politik, 
\\ irtschaft, Sitten, Kleidern usw. So sagte er z. B. 
die Eisenbahn genau voraus. In Apoig, Station 
llunderdorf der Strecke Bogen — Cham, bezeich- 
nte er auf den Meter den nachmaligen Verlauf 
der Schienen und zeigte mit seinem Stecken, wie 
weit sie dem Schötz (jetzt Blasini) in den Gar- 
ten hineinschneiden werden. „Bis daher und net 
weiter!“ Seine Vorhersage ist genau eingetroffen. 
Lintach, eine stundenweit ausgedehnte Kolonie 
mit zerstreuten Häusern, war um 1800 wieder 
ganz mit Wald bestanden und schwach besie- 
delt. Der Iliasl behauptete, die Leute und die 
Häuser würden recht viel werden, in Lintach 
wird alles voll Häuser und Lehmhütten „an- 
gschlöttet“ (angebaut), aber nachher wachsen ein- 
mal Brennessel und Brombeerdörn zum Fenster 
heraus. Ob die Zeit nicht jetzt, in dieser Woh- 
nungsnot, erfüllt ist? 

„In der Stadt“, sagte der Seher weiter, „hamnis 
Häuser, fünf- und sechsstöckig, überall bauens 
Häuser, Häuser wia d’ Schlösser und Pfarrhöf 
und Schulhäuser wia Paläste.“ Dabei lachte er 
schalkhaft und fügte hinzu: „Für d" Soldaten!" 
Tatsache ist, daß sowohl im ersten und zweiten 
Krieg sowie hernach gerade die Schulhäuser für 
Militär und Besatzungstruppen beschlagnahmt 
wurden. 


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Im Umhergehen zeigte der IliasI viele Orte, 
zeichnete den Grundriß mit dem Stecken an: „Da 
kimmt a Haus her!“ Am ehemaligen Weiher zu 
Eglsee fischend, steckte er ein Viereck mit klei- 
nen Steckerin ab und sagte: „So bauens das Haus 
her.“ Dieses Haus wurde tatsächlich genau an 
dem Platz gebaut und ist heute noch zu sehen. 
Eigentümlich und zutreffend war auch seine 
merkwürdige Prophezeiung an einem Platz zwi- 
schen Hunderdorf und Au: „Da werd a Haus 
baut, werd aber zerscht net ausbaut, wenns glei 
scho lang baut is.“ Tatsächlich stand dort ein 
einstöckiges Haus „Breitfeld“ genannt, lange Zeit 
sind die Balken für eine Altane weggestanden. 
Das gab dem Haus ein unfertiges Aussehen. An- 
geblich soll der Mühlhiasl auch noch von Sicd- 
lungsbautcn gesprochen haben, die wie Pilze oder 
Immenstöcke aussehen, ebenso hat er den großen 
Saalbau in Passau vorausgesehen (Nibclungen- 
lialle). Doch kann dies nicht urkundlich belegt 
werden. 

Der 1. Weltkrieg, vorher und nachher 

Den ersten Weltkrieg hat der Seher vom Baye- 
rischen Wald auf den Tag genau vorhergesagt. 
Die Prophezeiung lautete: „An dem Tag, an 
dem zum ersten Mal der eiserne Wolf auf 
dem eisernen Weg durch den Vorwald bellen 
wird, an dem Tag wird der große Weltkrieg an- 
heben.“ Und was geschah? Am 1. August 1914 
wurde die Eisenbahn von Kaltenegg nach Deggen- 
dorf eröffnet, die mitten durch den Vorwald 
führt. Am 2. August fuhren die Einberufenen 


jener Gegend mit der neuen Eisenbahn in die 
Kasernen. — Eine zweite Voraussage sagte: Wenn 
die silbernen Fisch (nach anderer Lesart der 
große weiße Vogel) über den Wald kommen, 
stehts nimmer lang an. Als der Zeppelin über 
den Bayerwald flog, war es kurz vor Ausbruch 
des Krieges 1914. Ebenso sah der IliasI auf der 
Donau die Dampfschiffe, die er als eiserne Hunde 
oder eiserne Hexen bezeichnete. 

Auf dem Fußweg von Oberaltaich nach Ilunder- 
dorf gibt es eine Stelle oben auf der Höhe der 
KlcinUntacher Berge beim Holz- Berti, wo man 
einen prächtigen Ausblick hat auf das Donautal 
und den Gäuboden von Plattling bis Regensburg. 
Hier stand vor mehr als 130 Jahren der Mühl- 
hiasl und brachte die Passauer Bahn und die 
Waldbahn in seine Gesichte. Er sagt: „Wenn die 
eiserne Straß von Passau heraufgeht, wenn die 
eiserne Straß über die Donau herüberkommt 
und ins Böhm hineinläuft, wenn der eiserne Hund 
die Donau heraufbellt, wenn die Wagen ohne Roß 
und Deichsel fahren, wenn die meisten Leut mit 
Zweiradl-Karren fahren, so schnell, daß koa Roß 
und koa Hund mitlaufen kann, nachher stehts 
nimmer lang an!“ 

Die Zeitläufte haben dem schlichten Hiasl nur 
allzusehr recht gegeben. Der erste Weltkrieg 
brach an und mit ihm erfüllte sich auch anderes. 

3. Die Weltkriege und was dazwischen liegt 

W ir haben schon beim Eisenbahnbau von Kal- 
tenegg nach Deggendorf darauf hingewiesen, wie 
der Mühlhiasl den ersten Weltkrieg auf den Tag 
genau vorhersagte. Ebenso deutlich schilderte er 


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2 * 


19 


aber auch die Zeit zwischen 1914-18 und 1945. 
Scharfe Schlaglichter fallen z. ß. durch seine Pro- 
phezeiungen auf die Inflation. Er sagte: 

„ ? s Gold geht zu Eisen und Stahl.“ Damals im 
ersten Weltkrieg wurde mit eisernen Uhrketten 
belohnt, wer seine goldene darangab. „Gold gab 
ich für Eisen!" Jeder Soldat bekam für ein Gold- 
stück drei Tage Urlaub von der Front. Im Baye- 
rischen Wald gab es Geistliche, die im Hinblick 
auf die Voraussagungen des Mühlhiasl die Leute 
von der Kanzel herunter gewarnt haben, das Gold 
an die Reichsbank abzuliefern. 

..L 7 m ein Goldstück kann man einen Bauernhof 
kaufen“, ist eine andere Wahrsagung. Tatsächlich 
wurde ein Bauernhof bei Freilassing in der In- 
flationszeit um den Preis von einem Goldstück 
erworben. „Um 200 Gulden kannst dir kein Brot 
kaufen — de große Not kimmt — da Hochwald 
werd auschaugn wia an Bettlmo sei Rock (infolge 
gewaltiger Abholzungen), ’s Holz werd so teuer 
wie Zucker (andere Lesart: aus Holz werd 
Zucker?). Einerlei Geld kommt auf“ (damals 
gab es in Deutschland ein halbes Dutzend Wäh- 
rungen). Dann die verblüffende Weissagung: 
„Geld wird gemacht, so vui, daß mans nimmer 
kenna kann“, und mit geheimnisvoll-hämischem 
Lächeln betonte er: „Wenns gleich lauter Papier- 
flankcn sind, kriegen die Leut noch nicht genug ! 
daran. Auf einmal gibts keins mehr!“ Kann man ; 
die Inflation genauer Voraussagen? Wohl kaum. I 
Und welch treffende Voraussage machte der Hiasl 
in bezug auf das Geld, das während des zweiten 
Weltkrieges herauskam. Auf den 1944 erschiene-' 
nen Zwanzigmarkscheinen ist eine Zeichnung als J 



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Das Geld mit der Fledermaus (siehe im Viereck) 



Verzierung der Initiale 2 mit einer mehr als 
merkwürdigen Basis. Diesen Schein sah der Fliasl 
voraus und sagte: „Vor dem Weltabräumcn 
kommt ein neues Geld auf mit der Fledermaus 
drauf, de laßt d’ Flitschn (die Flügel) recht trau- 
rig hänga.“ Tatsächlich ist die Fledermaus mit 
den hängenden Flügeln einwandfrei zu erkennen, 
so einwandfrei, daß die Leute 1944 trotz des 
damals herrschenden Terrors der Regierung laut 
überall sagten: „Jetzt is dem Miihlhiasl seine Pro- 
phezeiung eingetroffen, das Geld mit der Fleder- 
maus ist da.“ 

Ueber die Kleidersitten 

machte der Prophet aus dem Bayerwald auch 
interessante Voraussagen. „Wenn sich die Bauern-1 
leut gewanden wia die Städtischen und die 
Städtischen wia d’ Narren (andere Lesart: wia d” 
Affen), wenns auf den Straßen wia schneeweiße 
Gäns daherkemman (weiße Frauenkleider mit 
roten Schuhen oder braunen), wenn d’ Rabenköpf 
kemman (Frauen mit abgeschnittenen Haaren, 
mit Kopftücheln, wie sie jetzt vom Osten herein 
Mode sind), wenn d’ Mannerleut rote und weiße 
ifiiat aufsetzen, wenn d’ Leut rote Schuh tragen, 
wenn die Bauern mit gewichste Stiefel in der 
Miststatt drinnen stehen, wenn die Weiber Hosen 
und Stiefel anziehen und d’ Männer weibisch 
gewandet sind (ist alles eingetroffen), dann is nim- 
mer weit hin.“ — Mit einem einzigen Blick auf 
die Kleidung der heutigen Frauenwelt wird jeder 
Leser bestätigen, daß gerade genug „Damen“ in 
Männerhosen daherstelzen, ja, daß sogar die 
lederne Trachtenhose von einigen ganz Extra- 


vaganten bevorzugt wird. In den sogenannten 
mondänen Kurorten laufen die \\ eiber in drei- 
viertellangen Hosen auf der Promenade herum. 
Was die „Rabenköpfe“ anbelangt, so ist das Bild 
außerordentlich treffend. Als der Krieg 194Ö zu 
Ende war, tauchten überall die kurzen schwarzen 
Kopftüchlein der Balkan- und östlichen Stämme 
auf und fanden in kurzgestutzten Zierden der 
Bubiköpfe ihren Eingang in die heimische Mode. 
W as der Seher voraussah, ist eingetreten bis zum 
heutigen Tag. 

Der g'strenge Herr und der Glaube 

Verblüffend sind die Prophezeiungen des Miihl- 
hiasl über die Zeit von 1933 bis 1945. Mit einer 
erschreckenden Deutlichkeit wird das Regiment 
des „Tausendjährigen Reiches“ vorausgesagt. Zu- 
erst kommt eine gute Zeit für die Bauern. 
„Wenn die Leut nix mehr tun als fressen und 
saufen, schlemmen und dämmen, wenn auch 
Bauernleut lauter' Kuchen fressen, wenn Bauern- 
leut d’ Henndl und Gäns selber fressen — wenn 
Bauernleut alle Awanter (Grenzraine) umackern 
und alle Stauern (Hecken) aushauen — wenn 
Bauern alle politisieren — nachher is die 
Zeit da.“ 

„Gesetze und Steuern machens, die Herren, aber 
keiner kanns zahlen und kümmert sich mehr 
drum. Vieles wird ausgemacht, aber nimmer 
durchgführt.“ 

„Dann kommt noch a gstrenger Herr, der ziagt 
enk ’s Hemd übern Kopf ab und d' Haut auch 
noch. De Kloan wern groß und de Großn wem 
kloa. Aber es dauert nicht lang.“ 


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Ueber religiöse und kulturelle Zustande sagte 
der Scher vom Bayerwald folgendes: 

„Zuerst kommen die vielen Jubiläen (Jubiläums- 
jahr), überall wird über den Glauben predigt, 
überall sind Missionen — kein Mensch kehrt sich 
mehr dran, d’ Leut werden recht schlecht — 
d Religion wird noch so klein, daß mans in einen 
Hut hineinbringt — der Glauben wird so dünn, 
daß man ihn mit der Geißel abhauen kann — - 
der Glauben wird so wenig, daß man ihn mit 
einem Geißelschnalzer vertreiben kann — über 
’n katholischen Glauben spotten am ärgsten die 
eigenen Christen. Das Kreuz werden sie aus dem 
Herrgottswinkel reißen und in den Kasten hin- 
cinspcrren“ (beim Fenster nausschmeißen). — 
Lieber Leser, erinnerst du dich an die Zeit, 
als die Kruzifixe aus den Schulen entfernt und 
manchmal beim Fenster hinuntergeworfen wur- 
den? Und wer hat am ärgsten über die Kirche 
und den Glauben losgezogen? 

Die Voraussage über den Beginn des zweiten 
Weltkrieges 

Fast auf den Tag stimmend sind zwei Voraus- 
sagungen des Mühlhiasl für den Beginn des 
zweiten Weltkrieges. Die eine betrifft einen 
Brückenbau, die andere eine so merkwürdige und 
frappante Tatsache, daß man aus dem Staunen 
nicht herauskommt. Kein Wunder, daß der Hiasl 
zu seiner Zeit herzhaft ausgelacht und als „spin- 
nend“ erklärt wurde. Ileut lacht keiner mehr 
darüber. Er erklärte: „Wenns in Straubing über 
die Donau die große Brücke bauen, so wird» 


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fertig, aber nimmer ganz, dann gchts los. — 
Hier die Tatsache. Die Donaubrücke in Strau- 
bing war 1939 bis auf die Betondecke fertig, 

als im September der zweite Weltkrieg aus- 
brach. Die zweite Weissagung lautete: 

„Auf’n Kirchturm in Zwiesel werd a Baum wach- 
sen. Wenn der Baum so lang is wia a Fahnen- 
schaft, dann is die Zeit da.“ — Der Kranken - 

hausbenefiziat Goderbauer (-{* 1948) reiste im 
Jahre 1944 eigens nach Zwiesel, um den Baum, 
eine Linde, die tatsächlich auf dem Turmvorbau 
in Zwiesel etwa zwei Meter hoch gewachsen war, 
zu besichtigen. Ein Polizist wies die vielen Neu- 
gierigen, die natürlich die Prophezeiung des 
Mühlhiasl kannten, an, weiterzugehen, da cs der 
Regierung damals sehr unangenehm war, wenn 
eine solche Weissagung in Erfüllung ging. Als sie 
so hoch war wie ein Fahnenschaft (zirka zwei 
Meter), brach der zweite Weltkrieg aus. Diese 
schicksalhafte Linde' wurde dann 1946 oder 1947 
heruntergenommen, aber anderswo eingepflanzt. 
Sie blühte wenigstens 1947 noch. 

Der Bankabriiumcr und seine Vorzeichen 

„Nach dem Krieg meint man, Ruh ist’s, ist aber 
keine. Die hohen Herren sitzen zusammen und 
machen die Steuern und Gsetzer aus. Nachher 
stehts Volk auf. Bals angeht, ist einer über den 
andern. Raufen tut alles, wer ebbas hat, dein 
wirds gnommen, in jedem Haus ist Krieg, kein 
Mensch kann mehr dem andern helfen. Die rei- 
chen und noblen Leut werden umbracht, wer 
feine Hände hat, wird totgeschlagen. Der Stadt- 
herr lauft zum Bauern aufs Feld und sagt: ,Laß 


mich ackern! 4 Der Bauer erschlagt ihn mit dein 
Pflugraitcl. Die Bauern werden ihre Häuser mit 
hohen Zäunen umgeben und aus den Fenstern auf 
die Leut (Plünderer?) schießen. Kein Mensch 
wird den andern mehr mögen, jeder wird einen 
anderen Kopf haben (Parteistreitigkeiten). Die 
Kleinen werden wieder groß. Wenn aber der 
Bettelmann aufs Roß kommt, kann ihn der Teu- 
fel nimmer dereiten. In der großen Not holen 
die Leut auch den Herrgott wieder aus dem 
Kasten, wo sie ihn eingesperrt haben, und hän- 
gen ihn recht fromm auf, aber jetzt hilfts nim- 
mer viel.“ 

Wenn wir die Vorgänge in Ostdeutschland und 
den Sowjetstaaten betrachten, dann erübrigt sich 
jeder Kommentar zu den oben niedergelegten 
Voraussagungen des Mühlhiasl. Denn sie sind dort 
teilweise schon buchstäblich eingetreten. Ob sic 
bei uns als (bolschewistische) Klassenkämpfe noch 
kommen, wird die Zukunft lehren. 

Als weiteres Vorzeichen der großen Katastrophe 
nannte der Seher vom Bayerischen Wald einen 
Straßenbau von Straubing bis Pilmersberg (Pil- 
gramsberg). Als der Hiasl diese Prophezeiung 
machte, wurde er natürlich wieder ausgelacht, 
denn die Gegend war damals so unwirtlich, daß 
der alte Weiherbauer erklärte: „Wenn ich alles 
glaub, was der Mühlhiasl sagt, so glaub ich net, 
daß da a Straß baut werd.“ Nun, die Straße 
Straubing — Stallwang — Cham wurde gebaut und 
sic ist es, von der der Seher sagte: „Auf der 
Straß kommen sie einmal heraus, die Rotjankcrl.“ 
Seine Zeitgenossen aber hänselten den Hiasl und 
fragten spöttisch: Kommen etwa die Franzosen 


da heraus, worauf der Waldprophet ohne Zögern 
sagte: „Nein, Franzosen sinds nicht, rote Hosen 
liaDcns auch nicht an, aber die Roten sinds!" . 
Die Straße Cham — Straubing wird also noch eine 
Bedeutung bekommen. Heute nach bald 150 Jahren 
wissen wir besser, wer die „Roten“ sein werden, 
die hereinmarschieren wollen in das Land, und 
heute wird niemand mehr an die Franzosen den- 
ken, wir wissen es, wer die „Roten“ sind. 

Eine andere Voraussage bezieht sich auf klima- 
tische Vorgänge. Es sollen kurze Sommer kom- 
men, Winter und Sommer wird man nicht mehr 
auseinanderkennen (weil der Winter so warm 
und der Sommer so kalt sein wird). 

Ferner behauptet der Seher: „Wenn alles baut, 
nix wie baut wird, überall wird gebaut, ganze 
Reihen wern baut, wia d’ Impenstöck bauns cs 
hin, laue: Ro'dachl-Häuser (Dächer mit Ziegel- 
platten), der Gäuboden prangt mit lauter schnee- 
weiße Häuser, d’ Leut richten sich ein, als obs 
nimmer fort wollten, aber dann wird abgräumt.“ 

Zu dieser Voraussage ist ebenfalls jeder Kommen- 
tar überflüssig. Auf Grund der Kriegszerstörungen 
muß ja überall gebaut werden. Welche „Gebäude" 
in der Not der Zeit errichtet werden, kann man 
überall beobachten. Der Vergleich mit einem 
Bienenkorb ist vielleicht der damaligen Form 
nach nicht ganz zutreffend, heute aber wissen 
wir, daß Einzimmerhäuschen keine Seltenheit 
mehr sind, Barackenstil, Hütte an Hütte. Und wie 
merkwürdig ist der Satz: „Die Leut richten sich 
so ein, als obs gar nimmer fort möchten.“ Sollten 
da jene ungezählten Scharen gemeint sein, die 
in der Zeit des zweiten Weltkrieges und nachher 


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hereinflutcten? Oder die Evakuierten? Oder aber 
die Einheimischen selbst, die meinen, kein \Y ölk- 
lein trübe mehr ihren Himmel? 

„Als weithin sichtbare Mahnung aber erseheint 
am Himmel ein Zeichen." Etwas Näheres hat der 
Mühlhiasl darüber nicht gesagt. Tatsache ist, daß 
Tausende von gläubigen und ungläubigen Zu- 
schauern bei den Vorgängen in Fatiraa eine 
Himmelserscheinung beobachten konnten, die hi- 
storisch einwandfrei beglaubigt ist. Logiseberweise 
kann man jedoch annehmen, daß dieses Malin- 
und W arnungszeichen des Mühlhiasl auch in un- 
serer Gegend klar und deutlich zu sehen sein 
wird, da es ja sonst seinen Zweck verfehlen 
würde. 

Der Bankabräumer 

Nach den schweren Klassen- oder Parteikämpfen 
und dem ersten und zweiten Weltkrieg kommt der 
„Bankabräumer“. Damit wird wohl der schwerste 
Blutzoll, den unser Land zu zahlen hat, gemeint 
sein. Zuerst fluten auf der Straße von Cham nach 
Straubing die roten Massen herein. Da gibt der 
Hiasl nun seinen engsten Landsleuten den Bat: 
„Wenn sie kommen, muß man davonlaüfen was 
man kann, und als Mundvorrat Brot mitnehmen. 
Wer drei Laib Brot dabei hat und beim Laufen 
einen verliert, darf sieb nicht bücken darum, 
so muß es schlaun (so eilig ist es). Auch wenn 
man den zweiten verliert, muß man ihn auch 
hintlassn, denn man kanns auch mit einem Laib 
aushalten (ohne zu verhungern), weil es nicht 
lange dauern wird.“ (Panzer fahren schnell!) Als 
Versteck empfahl der Iliasl je nach der Gegend 



verschiedene Plätze, zum Beispiel für Mittersfeld 
die großen Wälder im Perlbuchtal und die Sen- 
kungen beim Buchberg, für Englmar die Käs- 
platte, für Bodenmais die Bergwerke, für den 
waldlosen Gäuboden die Weizenmanndln auf dem 
Felde. Damit ist für den Zeitpunkt dieses Ge- 
schehens sogar die Jahreszeit, nämlich der aus- 
gehende Hochsommer, angedeutet, die Zeit des 
Weizenschnittes im Gäuboden. 

„Das Bühmland wird mit dem eisernen Besen aus- 
kehrt. Das ßaycrland wird verheert und verzehrt 
von seinem eigenen Herrn — am längsten wirds 
stehen, am schlechtesten wirds ihm gehen.“ — 
Ob diese Prophezeiung nicht schon teilweise er- 
füllt ist, kann nicht bestimmt gesagt werden. Man 
könnntc es schon auf die heutige Zeit dahin 
deuten, daß Böhmen mit Gewalt (mit dem eiser- 
nen Besen) ausgekehrt, das heißt, daß die deut- 
schen Siedler in Böhmen ausgetrieben wurden. 
Daß Bayern von seinem eigenen Herrn verheert 
und verzehrt wurde, erinnert an die letzten 
Sprengungen im Kriegsjahr 1.944 und Anfang 1945, 
als in sinnloser Weise von den eigenen Truppen 
Sprengungen riesigen Ausmaßes vorgenommen 
wurden. Die Aushungerung bedarf keiner weiteren 
Erwähnung, da sie noch in aller Gedächtnis ist. 
Es ist aber ebenso wahrscheinlich, daß diese Zeit 
erst kommen wird mit der Katastrophe, die der 
Seher zwar ankündigt, aber nicht genauer be- 
schrieben hat. Er spricht nur davon, wie es hcr- 
nach ausschaut. Hören wir seine Voraussage: 
„Wcrs überlebt, muß einen eisernen Schädel 
haben. In einer Nacht wird alles geschehen.“ Wir 
Menschen des Zeitalters der Atombombe finden 


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die Prophezeiungen des Mühlhiasl sicher nicht 
mehr als Phantastereien wie seine Altersgenossen 
um das Jahr 1800 herum, wir wissen, daß cs 
kein Kunststück mehr sein wird, ganze Land- 
striche mit Mann und Maus zu vernichten. 

Nach der Katastrophe 

„Die Wenigen, die übrig bleiben, werden sich 
schutzsuchend aus der ganzen Umgebung inner- 
halb der Windberger Klostermauern sammeln.“ — 
,.D' Leut sind wenig — grüßen tuns wieder: Ge- 
lobt sei Jesus Christus, und einer sagt zum an- 
dern: Grüß di Gott, Bruder, grüß di Gott Schwe- 
ster! Auf d’ Nacht schaut einer vom Berg über 
den Wald hin und sieht kein einziges Licht mehr. 
Wenn einer in der Dämmerung eine Kranawitt- 
stauden sieht, geht er darauf zu- um zu sehen, 
obs nicht ein Mensch ist, so wenig gibts noch.“ 
Ein Fuhrmann haut mit der Geißel aufn Boden 
und sagt: „Da is einmal d’ Straubinger Stadt 
gstandn.“ 

„Wenn man am Donaustrand und im Gäuboden 
noch eine Kuh findet, der muß man eine silberne 
Glocke umhängen. Einem Roß aber soll man 
goldene Hufeisen hinaufschlagen, so rar ist alles.“ 
— Und wie überzeugend ist das kurze Wort: 
„Im Wald drinnen krähen noch Gockerl.“ 

Wenn dieser Bankabräumer vorbei gegangen ist, 
dann kommt eine schöne Zeit für die, welche 
die Katastrophe überlebt haben. Jenseits der 
Donau wird alles wüst und öd geworden sein 
und jeder kann sich ansiedeln, wo er mag, und 
so viel Grund nehmen, als er bewirtschaften 
kann. 




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„Es werden dann auch große Glaubensprcdigcr 
aufstehen und heilige Männer werden Wunder 
tun. Die Leute haben wieder den Glauben und 
cs wird eine lange Fricdenszcit kommen.“ 

Eine merkwürdige Voraussage sei noch erwähnt, 
die der Mühlhiasl seinen Freunden oft machte: 
„Wenn der Bankabräumer dagewesen is, wern 
auch die bösen Geister und die die waizen (um- 
gehen, spuken), gebannt werden.“ Dies ist eine 
allgemeine Volksanschauung, die sich auf das 
Schlußgebet der hl. Messe und den großen Exor- 
zismus Leos XIII. stützt. 

Schließlich sei noch ein Wort des biederen Sehers 
von Apoig mitgeteilt, das der Mühlhiasl denen, 
die ihn auslachten, sehr ernst und nachhaltig 
cntgcgenhielt: „Lachts nur, ihr brauchts cs ja 
net aushalten, aber enkerc Kindeskinder und de 
wo danach kemman, die werns schon glauben — 
müaßn. Teats betn, daß der Herrgott auf Bitten 
unserer Haben Frau ’s Unglück abwendt, mir 
glaubts ja neambd und doch is wahr!“ 

* 

Was hier niedergeschrieben ist, wurde in jahr- 
zehntelanger Sammlung einzelner Aussprüche des 
Mühlhiasl wie ein Mosaikbild zusammengcstcllt. 
Viele mündliche Ueberlieferungen von anerkannt 
vertrauenswürdigen Leuten, besonders ehrwüdiger 
Priestergreise, konnten glücklicherweise aufge- 
zeichnet und damit der Nachwelt erhalten werden. 
Zu seiner Zeit wurde der Mühlhiasl von seinen 
Mitbürgern verlacht und verspottet. Wie er es 
vorausgesagt hat, ist uns das Lachen in zwei 
Weltkriegen, zwei Inflationen und einem „tausend- 


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jährigen“ Reich vergangen. Auch heule will man 
seine Gesichte wieder „erklären“ und als Hirn- 
gespinste abtun. Manches soll später erfunden und 
dazu gemacht worden sein. Aber die Hauptsachen 
sind seit 50 Jahren bereits in meinem Archiv 
niedergeschrieben. Die letzte Katastrophe steht 
uns noch bevor. Ob und wann sie kommt, das 
weiß nur Gott allein. Wenn uns etwas zur War- 
nung dienen kann, dann ist es die Entwicklung 
der Technik und der tödlichen Atomwaffen. Aber 
ebenso die düsteren Gesichte von jenen Männern, 
die die „Gabe“ haben und darüber oft selbst am 
unglücklichsten sind. Glauben brauchts niemand, 
wer nicht will, aber spotten soll keiner, denn fast 
alles ist so gekommen, wie es der Mühlhiasl vor 
150 Jahren verkündet hat. 

Der „spinnende" Kriegsgefangene 
Ein Leser (Klosterpater B.) der 1. Auflage dieses 
Büchleins schickte uns zwei Feldpostbriefe vom 
August 1914, also vom ersten Monat des 1. Welt- 
krieges. Das, was hier von einem bayerischen 
Soldaten R. (der Name ist dem Verfasser be- 
kannt) über einen französischen Zivilisten, der 
südlich von Metz gefangen wurde, gesell ricDen 
ist, dünkt es uns wert, der Nachwelt erhalten 
zu werden. Der Franzose, den der Briefschreiber 
als „spinnet“ bezeichnete, sagte auf Befragen: 
„Wenn ihr wüßtet, was die Zukunft bringt, 
würdet ihr große Augen machen, ihr würdet heute 
noch die Gewehre wegwerfen. Der Krieg ist für 
Deutschland verloren. Dann kommt eine Revo- 
lution, aber sie kommt nicht recht zum Aus- 
bruch, denn einer geht und der andere kommt. 


Reich werdet ihr alle, alle werden Millionäre, und 
so viel Geld gibts, daß man es beim Fenster 
herauswirft und klaubts niemand mehr auf. Der 
Krieg aber geht unter der Fuchtel weiter und 
es geht den Leuten nicht schlecht, aber sie sind 
nicht zufrieden. Vor dem Antichrist kommt ein 
Mann aus der niederen Stufe und der macht 
alles gleich in Deutschland und die Leute haben 
nichts mehr zu reden und zwar mit einer Strenge, 
daß es uns das Wasser aus allen Fugen heraus- 
treibt. Der nimmt den Leuten mehr als er gibt 
und straft die Leut entsetzlich, denn um diese 
Zeit verliert das Recht sein Recht und es gibt 
viele Maulhelden und Betrüger. Die Leut werden 
wieder ärmer ohne daß sie es merken. Jeden 
Tag gibt es neue Gesetze und viele werden da- 
durch manches erleben oder gar sterben. 

Die Zeit beginnt um 1932 und alles geht auf 
eines Mannes Diktat, dann kommt die Zeit 1938. 
Völker werden überfallen und es wird zum Krieg 
erüstet. Der Krieg endet schlecht für diesen 
lann und seinen Anhang. Das Volk steht auf 
mit den Soldaten, denn es kommt die ganze 
Lumperei auf. Man soll in dieser Zeit kein Amt 
oder dergleichen annehmen, alles kommt an den 
Galgen oder wird unter der Haustür aufgehängt, 
wenn nicht ans Fensterkreuz hingcnagclt. Sachen 
kommen auf, unmenschlich. Die Leute werden 
(nach dem Krieg, d. V.) sehr arm und die Kleider- 
pracht hat aufgehört. Die Leut sind froh, wenn 
sie sich noch in Sandsäcke kleiden können. Die 
Sieger bekommen auch nichts. Deutschland wird 
zerrissen und ein neuer Mann tritt auf, der das 
neue Deutschland leitet und aufrichtet. Wer dann 


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3 


33 


das fleißigste Volk hat, erhält die Weltherrschaft. 
Am Schluß kommt noch Rußland und fällt über 
Deutschland her, wird aber zurückgeschlagen, weil 
die Natur eingreift. Da wird in Süddeutschland 
ein Platz sein, wo das Ereignis eintritt. Später 
kommen die Leute aus aller Welt, um das an- 
zuschauen. Der Papst wird dann beim Friedens- 
schluß dabei sein. Zuvor aber muß er fliehen, 
da er als Verräter hingestellt wird. Er kommt 
nach Köln, wo er nur mehr einen Trümmerhaufen 
findet, alles ist kaput. Italien wird furchtbar zu- 
gerichtet und viele deutsche Soldaten finden dort 
ihr Grab.“ 

Der Brief Schreiber R. meint dann noch einmal, 
der Franzose habe es nicht recht beisammen, er 
spinne. 

In einem zweiten Feldpostbrief vom 30. August 1914 
ergänzte dann der Briefschreiber R. die Aus- 
führungen des französischen Hellsehers folgender- 
maßen: 

..Da hat er immer betont von dunklen Männern, 
die dieses Unheil bringen sollten und die in der 
ganzen Welt verteilt sein sollten (Freimaurer?). 
Und die Zeit, in der der Stuhl 12 (Pius XII?), 
bekleidet ist (?) ist voll Schrecken und Morden. 
Er spricht und mahnt die Völker, aber alles 
umsonst. Diese Menschen werden immer weiter 
ins Unglück getrieben und werden immer schlech- 
ter und alles will nur Ware und Besitz haben 
(während des 2. Weltkrieges? d. V.). Steht an der 
Jahreszahl 4 und 5 (1945), dann wird Deutsch- 
land von allen Seiten zusammengedrückt und das 
zweite Weltgeschehen ist zu Ende. Der Mann 
(Hitler?) verschwindet mit seinem Zeichen. Das 

34 


Volk steht da und wird noch ausgeraubt und ver- 
nichtet bis ins Unendliche, aber die Feinde stehen 
auch nicht gut zueinander. Die Sieger kommen 
in das gleiche Ziel der Besiegten. 

In Deutschland kommen dann Regierungen, aber 
sie können ihre Absichten nicht durchsetzen, da 
ihr Vorhaben immer wieder vereitelt wird. Der 
Mann und sein Zeichen sind verschwunden und 
niemand weiß wohin, aber der Fluch im Innern 
bleibt bestehen und die Leute sinken immer tiefer 
in der Moral und werden schlechter. Die Not 
wird noch viel größer und fordert viele Opfer. 
Die Leute bedienen sich sogar mit allen mög- 
lichen Ausflüchten und Religionen, um die Schuld 
an dem teuflischen Verbrechen abzuwälzen. Aber 
es ist den Leuten alles gleich, denn der gute 
Mensch kann fast nicht mehr bestehen während 
dieser Zeit und wird verdrängt und vernichtet. 
Dann erheben sich die Leute selbst gegeneinander, 
denn der Haß und Neid wachsen wie das Gras 
und kommen immer weiter in den Abgrund. Die 
Besatzungen lösen sich voneinander und ziehen 
ab mit der Beute der Beraubten, was ihnen auch 
sehr viel Unheil bringt. 

Und das Unheil des dritten Weltgeschehens bricht 
herein. Rußland überfällt den Süden Deutschlands 
und die Berge sollen von Feuer speien. Um diese 
Zeit soll es furchtbar zugehen und es soll den 
Leuten nichts mehr helfen, denn sie sind zu weit 
gekommen in der Schlechtigkeit, da sie die Er- 
mahnungen nicht gehört haben. Dann tritt das 
Ereignis ein und der Russe soll alles zurücklassen 
an Kriegsgerät. Bis zur Donau und Inn wird alles 
dem Erdboden gleichgemacht und vernichtet. Die 

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3 ‘ 


Flüsse sind alle so seicht, daß man keine Brücken 
mehr braucht zum Darübergehen. Die schlechten 
Menschen werden zugrund gehen als wie es im 
Winter schneit und auch die Religion wird aus- 
geputzt und gereinigt. Aber die Kirche erhält 
den Siegestriumph. In Rußland werden alle Macht- 
haber vernichtet. Die Leichen werden dort nicht 
mehr begraben und bleiben liegen. Hunger und 
Vernichtung wird in diesem Lande zur Strafe für 
ihre Verbrechen.“ 

Der Briefschreiber fügt dann an: 

..Da muß man doch lachen über diese Reden 
und wir Soldaten lachten, aber der Franzose (El- 
sässer?) sagte: ,Von euch erlebt es nur einer 
und er wird an mich denken/ Da lachte keiner 
mehr.“ Das war im August 1914. Heute wissen 
wir, daß von belanglosen Unrichtigkeiten ab- 
gesehen der französische Hellseher die Zukunft 
richtig geschaut hat, denn wir haben den ersten 
Teil seiner Voraussagung erlebt. 

Das prophetische Lied von der Linde 
am Staffelstein 

Seit über 100 Jahren gibt es ein Gedicht, welches 
frappierende Weissagungen enthält. Dieses Ge- 
dicht oder Lied soll in einer uralten Linde ge- 
funden worden sein, die in einem Hohlweg beim 
Eingang des Friedhofs von Staffelstein im Fran- 
kcnland steht. Der Text ist teilweise verstümmelt 
oder verändert. Durch zwei Zuschriften aus Fran- 
ken sind wir in der Lage, das Gedicht, das 
über hundert Jahre im Besitz einer Passaucr 
Familie ist, zu ergänzen. Hier der Text: 

& 


Die alte Linde sang von der kommenden Wui 

Alte Linde bei der heiligen Klamm 
Ehrfurchtsvoll betast ich deinen Stamm 
Karl den Großen hast du schon gesehn 
Wenn der Größte kommt, wirst du noch stehn. 

Dreißig Ellen mißt dein grauer Saum 
Aller deutschen Lande ält’ster Baum 
Kriege, Hunger schautest, Seuchennot 
Neues Leben wieder, neuen Tod. 

Schon seit langer Zeit dein Stamm ist hohl 
Roß und Reiter bärgest einst du wohl 
Bis die Kluft dir sacht mit milder Hand 
Breiten Reif um deine Stirne wand. 

Bild und Buch nicht schildern deine Krön 
Alle Aeste hast verloren schon 
Bis zum letzten Paar, das mächtig zweigt 
Blätter freudig in die Lüfte steigt. 

Alte Linde, die du alles weißt 
Teil uns gütig mit von deinem Geist 
Send ins Werden deinen Seherblick 
Künde Deutschlands und der Welt Geschick. 

Großer Kaiser Karl in Rom geweiht 
Eckstein sollst du bleiben deutscher Zeit 
llundertsechzig, sieben Jahre Frist 
Deutschland bis ins Mark getroffen ist. 

Fremden Völkern front dein Sohn als Knecht 
Tut und läßt, was ihren Sklaven recht 
Grausam hat zerrissen Feindeshand 
Eines Blutes, einer Sprache Band. 


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Zehre Magen, zehr vom deutschen Saft 
Bis mit einmal endet deine Kraft 
Krankt das Merz, siecht ganzer Körper hin 
Deutschlands Elend ist der Welt Ruin. 

Ernten schwinden, doch die Kriege nicht 
Und der Bruder gegen Bruder ficht 
Mit der Sens’ und Schaufel sich bewehrt 
Wenn verloren gingen Flint und Schwert. 
Arme werden reich des Geldes rasch 
Doch der rasche Reichtum wird zu Asch' 
Aermer alle mit dem großem Schatz 
Minder Menschen, enger noch der Platz. 

Da die Herrscherthrone abgeschafft 
Wird das Herrschen Spiel und Leidenschaft 
Bis der Tag kommt, wo sich glaubt verdammt 
Wer berufen wird zu einem Amt. 

Bauer heuert bis zum Wendetag 

All sein Mühn ins Wasser mit ein’m Schlag 

Mahn wort fällt auf Wüstensand 

Hörer findet nur der Unverstand. 

Wer die meisten Sünden hat 
fühlt als Richter sich und höchster Rat 
Raucht das Blut, wird wilder nur das Tier 
Raub zur Arbeit wird und Mord zur Gier. 
Rom zerhaut wie Vieh die Priesterschar 
Schonet nicht den Greis im Silberhaar 
Ueber Leichen muß der Höchste fliehn 
Und verfolgt von Ort zu Orte ziehn. 
Gottverlassen scheint er, ist es nicht 
Felsenfest im Glauben, treu der Pflicht 
Leistet auch in Not er nicht Verzicht 
Bringt den Gottesstreit vors nah Gericht. 


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Winter kommt, drei Tage Finsternis 
Blitz und Donner und der Erde Riß 
Bet daheim, verlasse nicht das Haus 
Auch am Fenster schaue nicht den Graus! 

Eine Kerze gibt die ganze Zeit allein 
(Wofern sie brennen will) dir Schein 
Gift’ger Odem dringt aus Staubesnacht 
Schwarze Seuche, schlimmste Menschen- 

[sch lacht. 

Gleiches allen Erdgebornen droht 
Doch die Guten sterben sel’gen Tod 
Viel Getreue bleiben wunderbar 
Frei von Atemkrampf* und Pestgefahr. 

Eine große Stadt der Schlamm verschlingt 

Eine andre mit dem Feuer ringt 

Alle Städte werden totenstill 

Auf dem Wiener Stephansplatz wächst Dill. 

Zählst du alle Menschen auf der Welt 
Wirst du finden, daß ein Drittel fehlt 
Was noch übrig, schau in jedes Land 
Hat zur Hälfte verloren den Verstand. 

Wie im Sturm ein steuerloses Schiff 
Preisgegeben einem jeden Riff [schwärm 
Schwankt herum der Eintags-Herrscher- 
Macht die Bürger ärmer noch als arm. 

Denn des Elends einz’ger Hoffnungsstern 
Eines bessern Tags ist endlos fern 
„Heiland, sende, den du senden mußt“ 

Tönt es angstvoll aus der Menschen Brust. 

* Andere Lesart: Menschenkampf 

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Nimmt die Erde plötzlich einen andern Lauf? 
Steigt ein neuer Hoffnungsstern herauf? 
„Alles ist verloren!“ hier’s noch klingt — 
„Alles ist gerettet“, Wien schon singt. 

Ja, von Osten kommt der starke Held 
Ordnung bringend der verwirrten Welt 
Weiße Blumen um das Herz des Herrn 
Seinem Rufe folgt der Wackre gern. 

Alle Störer er zu Paaren treibt 
Deutschem Reiche deutsches Recht er schreibt 
Bunter Fremdling, unwillkommner Gast 
Flieh die Flur, die du gepflügt nicht hast. 

Gottes Held, ein unzertrennlich Band 
Schmiedest du um alles deutsche Land 
Den Verbannten führest du nach Rom 
Große Kaiserweihe schaut ein Dom. 

Preis dem 21. Konzil 
Das den Völkern weist ihr höchstes Ziel 
Und durch strengen Lebenssatz verbürgt 
Daß nun Reich und Arm sich nicht mehr würgt. 
Deutscher Name, der du littest schwer 
Wieder glänzt um dich die alte Ehr 
Wächst um den verschlung’nen Doppelast 
dessen Schatten sucht gar mancher Gast. 
Dantes und Cervantes welsche Laut 
Schon dem deutschen Kinde sind vertraut 
Und am Tiber- und am Ebrostrand 
Liegt der braune Freund vom Hermannsland. 
Wenn der engelgleiche Völkerhirt 
Wie Antonius zum Wandrer wird 
den Verirrten barfuß Predigt hält 
Neuer Frühling lacht der ganzen Welt. 


Alle Kirchen einig und vereint 
Einer Herde Einziger erscheint 
Halbmond mählich weicht dem Kreuze ganz 
Schwarzes Land erstrahlt im Glaubensglanz. 
Reiche Ernte schau ich jedes Jahr 
Weiser Männer eine große Schar 
Seuchen, Kriege sind der Welt entrückt 
Wer die Zeit erlebt, ist hochbeglückt. 

Dieses kündet deutschem Mann und Kind 
Leidend mit dem Land die alte Lind 
Daß der Hochmut mach das Maß nicht voll 
Der Gerechte nicht verzweifeln soll. 

Anmerkung: Da auf Karl den Großen in diesem 
Gedicht Bezug genommen wird als „Eckstein der 
deutschen Zeit“ seien die Lebensdaten des großen 
Herrschers angeführt. Karl wurde im Jahre 768 
geboren, wo ist unbekannt geblieben. Er wurde 
am Weihnachtstag des Jahres 800 von Papst 
Leo III. in Rom zum Kaiser gekrönt und starb am 

28. Januar 814. 

Vermehrt man die angegebenen 160 Jahre mit 7 
so ergeben sich folgende Zahlen: 160 mal 7 ist 
1120. Rechnet man dazu die Jahreszahl 813 der 
in diesem Jahr vollendeten Lebenszeit Karls, so 
erhält man fast auf den Tag den 

30. Januar 1933, 

den Tag der „Machtergreifung“ Hitlers. Das aber 
war die Wendezeit, in der Deutschland „bis ins 
Mark“ getroffen wurde. Zu den anderen Strophen 
kann sich jeder selbst denken, was er will. 


40 


41 




Der Hellseher 


an ber ©aalad) 


Alois Irlmaier 


Phänomen des Hellsehens 

Wir sind überzeugt davon und die vergangenen 
fünf Juli re haben es bis zum Ueberdruß bewiesen, 
daß es eine sehr heikle Sache ist, über einen 
noch lebenden Menschen Dinge niederzuschreiben, 
die erst später ihr volles Gewicht erhalten wer- 
den. Wenn man gar über einen Hellseher 
schreibt, dann erhebt sich ein Geschrei von all 
denen, die nicht daran glauben oder nicht daran 
glauben wollen und können, weil sonst ihre ganze 
Weltanschauung ins Wanken kommt. Für sie ist 
alles, was sie nicht mit Händen greifen können, 
ein „aufgelegter Schwindel“, „Mumpitz“, „Geld- 
macherei“ und „Gimpelfang“ und was sonstige 
Liebenswürdigkeiten mehr sind. Es ist eine alte 
Geschichte, daß Menschen, deren Gott der Bauch 
ist oder ein voller Geldbeutel, sofort sauer reagic- 


.43 


ren, wenn jemand an ihr Inneres klopft, vor der 
Zukunft warnt oder gar von einem allwissenden 
Weltenlenker Zeugnis abzulegen wagt. Und doch 
beweist die ganze Menschheitsgeschichte, dal* 
echte Prophezeiungen in allen Jahrhunderten Vor- 
kommen, daß Menschen in der Lage sind, etwas 
Zukünftiges in allen Einzelheiten zu „schauen ', 
geistig zu sehen, was war oder kommt. Es muß 
eine Ebene in der menschlichen Seele geben, auf 
der der Zeitbegriff gefallen ist. Manchmal tut 
sich das Tor zu der Zeitlosigkeit auf, und wenn 
es auch nur ein Spalt ist, der den Blick in jene 
Gefilde gestattet, immer wieder halten die Men- 
schen erschauernd den Atem an und finden keine 
Erklärung, versuchen höchstens, die Sache lächer- 
lich zu machen, verhöhnen den Unglücklichen, 
der mit einer solchen Gabe ringt und dabei ab- 
solut nicht erfreut ist. 

Ueber die Geisteskräfte eines Mensehen werden 
Materialisten immer lachen, weil sie an keinen 
Geist glauben, bis ihnen das Gegenteil oft schla- 
gend bewiesen wird. Wenn im 15. Jahrhundert 
eine heiligmäßige Nonne bombenwerfende Flug- 
zeuge voraussagte, wenn das Auto, däs Flugzeug, 
die Eisenbahn, die Inflation Hunderte von Jah- 
ren vorher genau geschildert werden in Gesich- 
ten, die irgendein Mönch oder ein anderer Zeit- 
genosse aufgeschrieben hat, dann kann man 
natürlich immer wieder sagen: „Ja, das waren 
weit vorausschauende Menschen, die das sich aus- 
dachten, was später Wirklichkeit wurde.“ Wenn 
aber jemand auf den Tag genau ein großes Er- 
eignis voraussagt, dann ist das unerklärlich, 
außer jeder Berechnung, wahre Hellseherei. Wer 


44 


daran nicht glaubt, soll es bleiben lassen. Es gellt 
aber nicht an, solche Menschen, die Beweise 
ihrer Gabe des Hellsehens erbracht haben, ein- 
fach als Schwindler hinzustellen. Es geht auch 
nicht an, daß man aus bloßer Neugierde oder 
wegen eines nichtigen Anlasses diese Gabe miß- 
braucht und den Seher halb zu Tode quält mit 
Fragen und Briefen, wenn sich ein Hund oder 
eine Katze verlaufen hat, oder wie die dummen 
Gänse, die wegen eines Hochzeiters Auskunft 
wünschen. 

Wenn wir Alois Irlmaier von Freilassing hier zu 
Wort kommen lassen, so deswegen, weil er nicht 
bloß seine natürlichen Fähigkeiten als Ruten- 
gänger und Wasserspürer eindeutig unter Beweis 
gestellt hat, sondern auch seine Eigenschaft als 
Eidetiker (von griechisch eidon = das Bild, also 
= Bilderschauer) einer sehr genauen und lang- 
jährigen Prüfung standhielt. Allerdings ist es dem 
Mann aus Freilassing übel genug ergangen. Man 
hat seine Aussagen verfälscht, Sachen dazu- 
gelogen, von denen nie eine Rede war. Man hat 
Sensationen fabriziert um Irlmaier, man hat ihm 
Schwindel und Geldmacherei vorgeworfen und 
den Mann so verbittert, daß er sich mit Recht 
wie eine Auster abgeschlossen hat und nur mehr 
seiner Brunnengraberei leben will, ein gefahr- 
volles Handwerk, aus dessen Erträgnissen er 
schlecht und recht mit seiner Familie leben kann. 
Trotzdem schaut er immer noch Dinge, die kom- 
men sollen oder können oder werden. Er weiß 
es nicht, er sieht es und sagt es nur einem sehr 
engen Kreis. Was wir geprüft haben, bringt diese 
2. Auflage des Büchleins: „Blick in die Zukunft“. 


45 


Die Person des Alois Irlmaicr 

Der Lois, wie ihn seine Bekannten nennen, ist 
heute sechzig Jahre alt, ein mittelgroßer Typ. 
Das Auge ist bemerkenswert hell und durchschei- 
nend, das Wesen gutmütig und mit einem Schuß 
feiner Ironie, heiter und aufgeschlossen. In den 
letzten Jahren zeigen sich bittere Falten um den 
Mund. Der Mann ist verschlossener geworden. 
Ein scharfer Hund bellt am Gittertor jeden Be- 
sucher wütend an, ein unbestechlicher Wächter. 
Ein Plakat ist angeschlagen, welches besagt, daß 
Irlmaier nur in Sachen der Brunnengraberei und 
des Wassersuchcns zu sprechen sei. Wenn er dann 
selber aufmacht, sind es wenige, die er einläßt. 
Aber helfen wenn der Lois kann, dann tut er es. 

Wie es dazu kam 

Schon in der Jugendzeit hatte Irlmaier die Er- 
fahrung gemacht, daß er das Wasser „spürte“. 
Wenn er an eine Quelle kam, dann „wurlte“ es 
in seinen Fingern. Als Augenzeuge kann der Ver- 
fasser bestätigen, daß die sehr empfindsame Hand 
des Rutengängers über der Wasserader sofort 
eigentümlich reagierte. Die Blutadern der Hand 
traten dick hervor. Die Rute schlägt so unwider- 
stehlich aus, daß sie auch von fremder Hand 
nicht gehalten werden kann. Neben dieser Fähig- 
keit, das Wasser zu spüren, trat dann „das 
andere“' ein, das Hellsehen. Irlmaier wurde im 
ersten Weltkrieg im Feld verschüttet und erlitt 
einen schweren Nervenschock. Vielleicht ist das 
der Anstoß gewesen bei ihm, daß die Balance des 



Seelischen aus dem regulären Gleichgewicht kam. 
Als nun Irlmaicr als gelernter Installateur im 
Jahre 1928 bei einem österreichischen Bauern 
sein Handwerk ausübte, sah er in der Stube ein 
sehr schönes Marienbildnis hängen, das dem Lois 
sehr gefallen hat. Auf einmals gab’s dem Be- 
schauer einen Riß. Denn es war ihm, als ob die 
Gottesmutter aus dem Bild herausgetreten wäre 
und ihn gütig angeschaut hätte. Als er sich be- 
nommen über die Augen streicht, ist alles wie- 
der wie zuvor. Und seit dieser Zeit sieht der 
Lois „Manndln“ und Landschaften, Tote und 
Lebendige und hat keine Erklärung dafür. Er 
schaut die Bilder, wie wir sie im Kino sehen. 
Er muß sich aber dabei anstrengen, sich konzen- 
trieren, und es ist nicht immer gleich gut. Ruck- 
haft erscheint das Bild und dann ist es plötz- 
lich weg. Auch Zahlen erscheinen oder Striche, 
die er dann zu deuten sucht, vielfach nicht rich- 
tig, denn es ist seine Auslegung. Immerhin sieht 
er die Menschen und die Landschaft und kann 
die Jahreszeit erraten, sei es, daß er die Bäume 
im Schmuck des Laubes erblickt oder die Berge 
noch mit Schnee bedeckt. 

Die Verhandlung in Laufen 

Daß das Hellsehen auch zu einer gerichtlichen 
Auseinandersetzung führen kann, beweist eine 
Verhandlung in Laufen. Irlmaier wurde wegen 
Gaukelei angezeigt und eines Tages am zustän- 
digen Amtsgericht vorgeladen. Die Zeugen, mei- 
stens aus Freilassing, wurden vereidigt und mach- 
ten ihre Aussagen. Was sie hier unter Eid aus- 
sagten, war aber für den Hellseher derartig 


46 


47 


günstig, daß sich das Gericht überzeugen ließ, 
hier sei von Gaukelei keine Rede. Das Motiv der 
Gewinnsucht schied vollständig aus, als bekannt 
wurde, daß sich Irlmaier mit einem „Vergelt’s 
Gott“ für seine Dienste begnügte und armen 
Frauen, die ihn in ihrer Not aufgesucht hatten, 
sogar noch das Fahrgeld schenkte. So bewahr- 
heitete sich das, was der Lois dem Richter bei 
Beginn der Verhandlung vorausgesagt hatte: „Du 
kannst mir gar nichts tun!“ Es erfolgte ein Frei- 
spruch. Im nachfolgenden aber wollen wir genau 
untersuchte Voraussagungen Irlmaiers bringen, 
von denen uns die schriftlichen Unterlagen zur 
Verfügung gestellt wurden. Ihre Zahl ist in den 
letzten Jahren so angestiegen, daß wir aus Raum- 
mangel nur die frappiercndsten bringen können. 
Sie genügen, um viele Menschen von der Tat- 
sache zu überzeugen, daß der Seher von der 
Saalach ein echter Hellseher ist, der sich sicher 
auch wie jeder Mensch irren kann, aber bestimmt 
kein Schwindler oder Gaukler ist, der Hilfe- 
suchende betrügt. 

Der Bunker in Rosenheim 

Während des Krieges war Irlmaier öfter in 
Rosenheim zu Besuch bei einer Verwandten. Da 
sagte er, sie solle nicht in die Mitte des Bunkers 
am Salinenplatz gehen, weil er dort lauter Lei- 
chen sehe, dagegen geschehe den Leuten am Ein- 
gang des Stollens nichts. Das sprach sich in 
Rosenheim herum, und als ein schwerer Luft- 
angriff erfolgte, flüchteten die erschreckten Pas- 
santen in den Bunker, mieden aber die Mitte. 
Als schon die Bomben fielen, kamen noch ver- 


48 


schiedenc Soldaten, drängten sich trotz der War- 
nung der Einheimischen in die Mitte und fie- 
len gleich darauf einem Volltreffer zum Opfer. 
Die anderen am Stolleneingang blieben unverletzt. 

Die Schleiergestalten 

Als Irlmaier einmal in einem Gebirgsort einen 
Brunnen grub, wurde er von der Bäuerin zu einer 
Brotzeit eingeladen. Er schaute das Brot an und 
sagte: „Eigentlich sollte ich nichts essen, es liegt 
bei euch kein Segen darauf. Da schau, da steht 
dei Vater 'unter der Tür und hebt bittend d’ Hand 
auf, und d’ Mutter, de da droben im Eckzimmer 
gstorben ist, de bitt zum Fenster herein, warum 
betet ihr denn gar nix für eure Leut?“ Die 
Bäuerin lief vor Schrecken fort, auch der Bauer 
verzog sich und ebenso die drei Buben, die eben 
vom Kirchengehen nicht viel wissen wollten. Das 
Merkwürdige dabei ist, daß der Hellseher auch 
Verstorbene sieht, die als „Schleiergestalten“ vor 
seinem geistigen Auge erscheinen. Einmal, als 
er mit einem Bekannten in der Kirche war, sagte 
er hernach, in den Stühlen seien viele Verstorbene 
gewesen, einige aber hätten dem Altar den Rücken 
zugekehrt, die seien Wahrscheinlich verdammt 
oder im Fegefeuer. 

Ein Vermißter kehrt heim 

Als ihm eine Frau für die Auskunft über einen 
Vermißten mit einem herzhaften „Vergelts Gott!“ 
dankte, sagte Irlmaier: „Jetzt hast dein Knecht 
aus n Fcgfeuer erlöst, da steht er und dankt dir!“ 
Die Frau, deren Knecht tatsächlich kürzlich ge- 
storben war, machte, daß si« weiterkam. 

49 

4 


Hunderte von Fällen werden erzählt, wie Irl- 
maier das Wiederkommen von Vermißten voraus- 
sagte. Einer Frau, die ihren Mann für tot hielt, 
sagte er: „Wenn d’ Weihnachtsglocken läuten, 
is er dahoam. 4 Der Mann kam 1948 kurz vor 
\\ eihnachten zurück. 

Viele Tausende leiden seit Jahren unsagbar unter 
der Ungewißheit über das Los ihrer Angehörigen. 
Das Wort „Vermißt“ hat einen schneidenden 
Klang. Viele Tausende in den Lagern Sibiriens 
können oder dürfen nicht schreiben. Jahre sind 
vergangen. Eine Frau in Rosenheim verzweifelte 
fast um ihren Mann. Sie wollte dann wieder 
heiraten. Vorsichtshalber fragte sie aber zuerst 
beim Irlmaier, was sie tun solle. Der sagte: 
„Wart no, i moan, er kommt bald heim.“ Und 
tatsächlich kam der Vermißte bald darauf nach 
Hause. 

Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß Irl- 
maier in vielen Fällen aus Mitleid mit den ver- 
härmten Auskunft Suchenden das wahre „Gesicht“ 
verschwieg. Er brachte es nicht übers Herz, die 
bittere Wahrheit zu sagen, das oft grausame Ge- 
schehen, wie er es gesehen hatte, den Angehöri- 
gen mitzuteilen. War es doch vorgekommen, daß 
erschütterte Frauen in Ohnmacht fielen, wenn 
sie den Tod erfuhren. 

Der Mann mit der Silberplatte 

Eines Tages fuhr ein Auto beim Irlmaier vor 
mit drei Polizeileuten. Der Lois empfing sie mit 
den nicht gerade höflichen Worten: „Was wollts 
denn ihr bei mir mit eurem gestohlenen Wagen?“ 
Das Auto war tatsächlich zu Unrecht enteignet 


worden, was die Polizisten gar nicht gewußt 
hatten. Aber nicht darum handelte es sich bei 
dem Besuch. Es war ein Mord geschehen, das 
wußte man, aber die Leiche war verschwunden. 
Irlmaier beschrieb den Detektiven genau den 
Platz, wo der Ermordete vergraben war und 
zwar mit den Worten: „Da und da liegt der mit 
der silbernen Platte im Bauch, da findet ihr ihn.“ 
Tatsächlich wurde die Leiche gefunden. Bei der 
Sezicrung stellte sich heraus, daß der Umgebrachte 
unter dem Bauchfell eine silberne Platte trug, 
was vorher niemand gewußt hatte. Der Mord 
konnte restlos aufgeklärt werden. 

Merkwürdige Voraussagung 

Ein Geschäftsmann, dessen Frau erkrankt war, 
kam zu Irlmaier um Rat. Der Hellseher sagte 
zu ihm: Fahr gleich heim, mit deiner Frau.stents 
nicht gut. In drei Wochen stehst du an ihrem 
Grab. Aber du bist in einem Jahr schon wieder 
verheiratet. 

Tatsächlich starb die Frau in der angegebenen 
Zeit. Als der Witwer nach einem Jahr wieder 
zu Irlmaier kam, stelllte er seine Braut vor, die 
mit ihm gekommen war. Das Aufgebot zur Ver- 
ehelichung war bereits bestellt. Aber der Lois 
lachte nur und sagte: „Nein, die ist es nicht, die' 
ich vor einem Jahr gesehen habe. Fahr nur 
wieder heim, ihr zwei kommt nicht zusammen.“ 
Die zwei Brautleute kamen tatsächlich schon auf 
der Heimreise ins Streiten, trennten sich und 
eine andere Braut trat mit dem Geschäftsmann 
an den Altar. Hoffentlich war sie die Richtige. 


50 


4 * 


51 


Das gestohlene Pferd 

In Freilassing erzählt man über den Irlniaier noch 
andere Dinge. So von dem Bauern, dem man ein 
Roß gestohlen hatte und der nun zum Irlmaier 
kam und ihm sein Leid klagte. „Ja, mein Lieber, 
da hast höchste Zeit“, sagte ihm der Hellseher 
der Roßmetzger wetzt schon sein Messer und will 
den Gaul abstechen. Jetzt lauf, was du kannst, 
damit du noch recht kommst!“ Tatsächlich war 
das gestohlene Pferd beim Roßmetzger und sollte 
eben geschlachtet werden, als der Bauer eintrat. 
Hocherfreut zog der Bestohlene mit seinem Gaul 
wieder heimwärts. 

Der Bauer und der Hcimatvertricbcne 

Einmal fuhr ein Chiemgauer Bauer nach Frei- 
lassing zum Irlmaier, um wegen seines vermißten 
Sohnes zu fragen. Er mußte dieselbe Erfahrung 
machen wie schon Hunderte vor ihm. Der Aloisius 
war nicht da. Nach langem vergeblichem Warten 
ging der Bauer in ein Gasthaus zum Essen. Dort 
traf er neben anderen Leidensgenossen einen 
Vertriebenen, der auch zum Irlmaier wollte. Der 
Flüchtling erklärte, er werde so lang m Frei- 
lassing bleiben, bis er sein Ziel erreicht habe. 
Daraufhin gab der Bauer dem Mann die Foto- 
grafie seines vermißten Sohnes und fünf Mark 
mit der Bitte, bei Irlmaier über das Schicksal 
des Sohnes Auskunft einzuholen, da er selbst nicht 
mehr Zeit hatte, länger zu warten. 

Als nun dieser Flüchtling, ein ehemaliger Bauer, 
endlich zu dem Hellseher kam, legte er ihm drei 


52 


Fotografien von Vermißten vor. „Der eine“, sagte 
Irlmaier, „ist 1944 gefallen.“ Diese Aussage 
stimmte deswegen, weil die Angehörigen schon 
von anderer Seite, von einem Kameraden des 
Gefallenen, eine ähnliche Nachricht erhalten hat- 
ten. „Der zweite“, sagte Irlmaier, „lebt und ist 
in einem Gefangenlager bei Moskau. Er wird in 
nicht zu ferner Zeit heimkommen.“ „Und der 
dritte?“ fragte der Flüchtling. „Der dritte“, sagte 
Irlmaier, „ist der Sohn von einem großen Bauern. 
Der hat dir fünf Mark gegeben, gell, damit du 
mich ausfragst. Sag ihm, sei ßua lebt noch, er 
ist aber ganz weit weg, so weit scho, daß d dirs 
nicht denken kannst. Und der bleibt noch lang 
aus. Des kannst ihm sagen. Und dir erzähl ich 
jetzt, wie es in deiner früheren Heimat aus- 
seh äugt. Da ist dei Haus und daneben lauft ein 
kleiner Bach und neben der Tür steht ein großer 
Baum. 4 Und so beschrieb Irlmaier bis ins kleinste 
Detail das Anwesen des Flüchtlings, so daß dieser 
aus dem Staunen nicht mehr herauskam. 

Der lustige Zecher 

Da saßen sie in H. beim Wirt, eine fidele Zech- 
gesellschaft. Die Stimmung war die beste, nur 
ein stiller Gast saß in der Ecke und beteiligte 
sich nicht an den lustigen Spässen. Bis ihn einer 
anprostete und ihm zurief, er solle nicht so 
düster dreinschauen und mittrinken. Da sagte der. 
es war Irlmaier: „Ja mei, i inoan allaweil, in 
drei Tagen is dir 's Lachen auch vergangen, da 
wirst nicht mehr leben.“ Zwar erschrak der also 
Angeredete, es war ein älterer Herr, über diese 


53 


Prophezeiung, lachte dann aber herzlich und 
meinte: „Ich glaubs nicht, ich fühle mich kern- 
gesund und hoffe, noch lang zu leben.“ Irlmaier 
sagte nichts mehr und ging heim. Drei Tage 
später raffte den angeblich kerngesunden Zecher 
ein Schlaganfall dahin, die Voraussage war auf 
den Tag genau eingetroffen. 

Der Mörder im Leichenzug 

Es ist keine Seltenheit, daß der Hellseher von 
Freilassing der Polizei in verzwickten Fällen zu 
Hilfe kommt. Wir haben schon erzählt, wie er 
die Leiche des Mannes mit der silbernen Platte 
in der Bauch wand finden half. Ein anderer, sehr 
bezeichnender Fall passierte schon vor längerer 
Zeit, als in Stuttgart eine Frau ermordet auf- 
gefunden worden war. Da ihr Mann nicht eben 
eine glückliche Ehe geführt hatte, entstand der 
Verdacht, daß er die Gattin ermordet habe. Die 
Untersuchung setzte mit aller Schärfe ein, trotz- 
dem der Mann in höchster Erregung seine Un- 
schuld beteuerte. Eine Vernehmung folgte der 
anderen und trieb den Verdächtigen an den 
Band der Verzweiflung. Schließlich machte er 
dem Untersuchungsrichter den Vorschlag, man 
möge doch den Hellseher Irlmaier von Freilassing 
beiziehen, dann werde sich seine Unschuld schon 
heraussteilen. Die Kriminalpolizei ging auf den 
Wunsch des geplagten Mannes ein und so fuhren 
eines Tages zwei Beamte mit dem Manne nach 
Freilassing zu dem Hellseher. Ein Freilassinger 
Polizist und die zwei Stuttgarter gingen zu Irl- 
maier hinein, der Verdächtige mußte heraußen 


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warten. Dann wurde dem Brunncnmachcr das 
Bild des Ehepaares vorgclcgt mit der Frage, ob 
der Mann seine Frau umgebracht habe. Sofort 
sagte Irlmaier: „Na, na, der hats nicht um- 
gebracht, des war ein anderer, teats mir des 
andere Bild her, des ihr noch dabei habts!“ Tat- 
sächlich hatte der eine Kriminalbeamte noch ein 
zweites Bild in seiner Mappe, eine Fotografie des 
Leichenzuges, als die Ermordete unter großer 
Anteilnahme der Bevölkerung zu Grabe getragen 
wurde. Plötzlich deutete Irlmaier auf einen Mann 
im Leichenzug und sagte: „Der da is gwen, der 
hats umbracht. Er hat ihren Schmuck gstohln, 
an Ring und an Fotoapparat, aber den hätts scho 
rausbringen können, ihr habts ja a Schreiben da- 
heim, da stehts drauf. Der hat einer andern Frau 
was gschenkt von dem gstohlnen Zeug, zu dem 
gehts hin, na dawischts n, den Richtigen.“ 

Als die Beamten wieder nach Stuttgart kamen, 
berichteten sie dem Untersuchungsrichter, was 
Irlmaier gesagt hatte. Bei genauer Durchsicht 
der Akten fand sich ein Brief ohne Unterschrift 
vor, in dem eine Frau verdächtigt wurde wegen 
des Besitzes eines wertvollen Ringes. Es stellte 
sich heraus, daß dieser Ring Eigentum der Er- 
mordeten gewesen war, der richtige Mörder hatte 
ihn seiner Dulcinea verehrt. Er wurde verhaftet 
und gestand sein Verbrechen. Und das Merk- 
würdigste, er hatte die Frechheit, am Leichenzug 
seines Opfers teilzunehmen und war auf dem 
Bild als der Vorletzte genau zu erkennen, eben 
an dem Platz, wo Irlmaier hingedeutet hatte. So 
wurde ein Verbrechen gesühnt, bei dem beinahe 
ein Unschuldiger verurteilt Avorden Avärc. 


55 


Wie er die Toten sieht 

Wenn die Schleier vor der Zukunft fallen, dann 
ist auch die Gegenwart und die räumlich ge- 
trennte Sache dem Seherauge nicht verschlossen. 
Dies beweist Irlmaier oft genug, wenn einer 
stirbt, den er kennt. „Ja, was mogst denn du, di 
hats aber schnell dawischt“, sagte er kürzlich. 
Als ihn die Dabeistehenden fragten, wen er mit 
seiner Ansprache meine, sagte Irlmaier: „0 mei, 
der Xbauer ist plötzlich gestorben und jetzt hob 
ich ihn gsehn. Wia a Schleiergestalt is er daher- 
kemma, da X. Mei, der hot gschaut, wia er so 
schnell in d Ewigkeit keinma ist. Ja, da geh nur. 
wieder, ich helf dir schon in der Ewigkeit und 
sogs deine Leut. 4 Wenn ihm das Bild eines Ge- 
fallenen vorgelegt wird, sieht er ebenfalls den 
Toten in dieser schleierartigen Gestalt daher- 
schweben und weiß nun bestimmt, daß der Be- 
treffende nicht mehr unter den Lebenden weilt. 
Daraus macht Irlmaier dann auch kein Hehl, 
obwohl er ein mitleidiges Herz hat und vor allem 
helfen will. Sonst würde er gewiß den Tausenden, 
die schon zu ihm gekommen sind, nicht Zeit und 
Arbeitsgelegenheit opfern. Es kommt ihn vielleicht 
hart genug an, wenn er Dinge sagen muß, die 
nicht gerade eine rosige Zukunft bedeuten. Aber 
lügen mag er auch nicht. So ergreift er, wenns 
gar nicht anders geht, die Flucht und ist dam# 
tagelang unsichtbar. Wer kaniTs ihm verdenken? 

Ob reich, ob arm, das ist ihm gleich 

Vi er glaubt, daß der schlichte ßrunnengraber von 
Freilassing bloß im Rupertiwinkel oder im Chiem- 

56 




gau und in Rosenheim bekannt ist, wäre schwer 
im Irrtum. Und wer glaubt, sein Rang oder Stand 
mache ihn zu einer bevorzugten Person, der 
kommt beim Irlmaier an die falsche Adresse. 
Zuvörderst redet er jeden Menschen mit du an, 
dann kennt er keinen Unterschied, ob reich oder 
arm, ob hoch oder nieder. Die Schwester des 
Generals Glay ließ er genau so vor seiner Ilütten- 
tür warten wie irgend eine arme Bauersfrau, 
die um ihren vermißten Sohn anfragen will. Die 
Hunderte von Amerikanern, die ihn besuchten, 
mußten einen Dolmetscher mitnehmen, denn der 
Alois kann nur chiemgauerisch reden, aber nicht 
englisch. Und doch erzählte der Irlmaier den 
meist farbigen Soldaten haargenau, wie es bei 
ihnen zu Hause stehe, ob alles gesund sei und 
was sic sonst noch wissen wollten. Ein reicher 
Amerikaner kam sogar mit dem Flugzeug her- 
über, um sich Rat und Auskunft wegen einer 
Oelquelle zu holen. Daß natürlich verlockende 
Angebote nicht fehlten für den einfachen Brunncn- 
macher, versteht sich von selbst. Aber all diese 
Angebote hat Irlmaier glatt abgeleimt. „Ich bleib 
in meiner Heimat, ich kann mit meiner Brunnen - 
graberei so viel verdienen, als ich brauch, mehr 
will ich net“, das ist sein endgültiger Spruch und 
dabei bleibt er. Seine Sehergabe macht ihn nicht 
glücklich. „Wie oft derbarmen mir die Menschen, 
wenn i siech' wias leiden miiassn, und kanns doch 
net ändern.“ 

Daß er mir auch noch mit einem Abtasten seiner 
Hände den Gesundheitszustand haargenau schil- 
derte, sei nur nebenbei 'erwähnt. 


57 


Der Tote mit der Hand auf dem Rücken 

In einer Familie gab es große Streitigkeiten. Es 
handelte sich um Erbschaftsangelegenheiten und 
da pflegen die Gegensätze meistens hart aufein- 
ander zu prallen. Es kam zu üblen Begleiterschei- 
nungen, Denunziationen und Anzeigen. Der alle 
Vater wußte nicht recht, für wen er Partei er- 
greifen sollte. Eines Tages traf ihn ein töd- 
licher Schlaganfall. Sein Sohn ging eine Stunde 
nachher, ohne außer einer kurzen Mitteilung 
etwas von dem Tode des Vaters zu wissen, 
zu Irlmaier, um sich Rat und Hilfe in 
seiner Angelegenheit zu holen. Nach kurzer Unter- 
haltung sagte Irlmaier: „Was hast denn mit dein 
\ atern ghabt? Jetzt hat er schnell umi müssen 
und ist so unruhig. Jetzt reuts ihn, daß 
er nimmer mit dir redn könna hat. Er gellt all- 
weil auf und ab und hat die rechte Hand aufn, 
Buckel, die linke Iland schwenkt er hin und 
her. Er bittet dich, daß du ihm verzeihst und 
jetzt tnöcht er dir die Iland geben. Gibs ihm 
halt! 4 

Der Besucher wußte nicht, was er sagen und tun 
sollte. Tatsächlich hatte sein verstorbener Vater 
die Gewohnheit, die rechte Hand auf den Rücken 
zu legen und wenn er ging, den linken Arm hin 
und her zu schwingen. Ganz erschüttert sagte der 
Betreffende nun 'zu Irlmaier: „Ich sch ja nichts, 
wie kann ich denn da die Iland hergeben, obwohl 
ich meinem toten Vater alles von Herzen verzeih, 
was er mir angetan hat! 4 “ Darauf ergriff der Hell- 
seher die rechte Hand seines Gastes und führte 

58 


sic in die des von ihm geschauten Schemens. 
„Siehst, jetzt schaut er ganz zufrieden“, sagte Irl- 
maier „und jetzt geht er.“' Man kann sich unge- 
fähr vorstcllen, was sich der Sohn dachte, als er 
dann heimging, um den toten Vater bereits auf- 
gebahrt vorzufinden. 

Die gestohlenen Rohre 

Das war damals nach dem Kriege als das Geld 
nichts und die Sachen alles wert waren. Daß zu 
jener Zeit alles gestohlen wurde, was nicht ange- 
nagelt war, ist eine bekannte Geschichte. Da hat 
einer, auch im Chiemgau ansässig, Rohre gelegt 
und hat sich wie ein Schneekönig gefreut über 
seine Rohre, bis sie nicht mehr da waren. Er 
trifft den Irlmaier Alois, der seine kurze Pfeifo 
raucht und grad zum Brunnengraben ausrücken 
will. Da entwickelt sich folgendes Gespräch: 
„Alois, denk das nur grod, hot ma; a so a Hunds- 
bazi meine schöne Rohr gstoin, furt sans, dahin 
saus, suacha konn i woi i wui, i finds nirgends 
mehr. Konnst ma net sogn, wo, i suacha soit?“ — 
„Des. konn i scho“, sagt der Irlmaier, „jetzt gehst 
Du zum X in sein Stadel hinein, da steht a 
Wagen drinn und auf den Wagen san Scheiter 
aufglcgt, a ganze Fuhr. Und wennst des Holz 
abgladn hast, na liegen Deine Rohr da. Pfiiat 
Di!“ 

Der Bestohlene besann sich nicht lang, holte sich 
als „Schutzengel“ schnell noch einen Polizisten 
und auf gings in die Scheune von X. Da stand 
richtig ein Wagen hochbeladen mit schönen 
Scheitern. Trotz des heftigen Protestes des Be- 

59 



sitzers wurde das IIolz abgeladcn und siehe da, 
die schönen Rohre, die neuen Rohre, kamen tief 
am Boden versteckt zum Vorschein. Seitdem flucht 
einer dem Hellseher, einer aber ist ihm sehr 
dankbar, er hat seine Rohre wieder, die spur- 
los verschwunden waren. 

Und der neue Wintermantel 

Weil sich diese Rohrgeschichte herumsprach, 
dachten sich zwei Burschen von A. sie müßten 
sich auch einen Aufschluß holen. Damals war 
noch die Zeit, wo es keinen Stoff gab, kein Ei, 
keine Butter, kein Geselchtes war zu haben. Die 
Lebensmittel waren sehr knapp, außer es kaufte 
jemand auf dem Schwarzen Markt um sündteures 
Geld, was er erwischen konnte. Nun war einem 
etwas gestohlen worden, was er sehr vermißte und 
weil der andere seine Rohre wieder bekam, 
wollte er auch eine Frage an Irlmaier stellen. 
„Damits leichter geht“, packte er ein Trumm 
Geselchtes in seinen Rucksack und ging mit einem 
Kameraden zu dem Freilassinger Hellseher. Der 
saß gerade in einem Wirtshaus und trank eine 
Halbe Dünnbier. „Irlmaier, mir hamms was 
gstohln“. — „Ja, ja, sitz Di nur her“, sagte der 
Alois, „i woaß scho, des hast in Dein Kasten 
drinn ghabt, links unten is des Paekl gelegen. Du 
bist beim Tanzen gewesen, dann bist mit einer 
fort und wie Du heimkommen bist, hast in Dein 
Kasten neigschaut, nacher wars dahin. Aber des 
kriagst nimmer. Du hast es selber von hinten 
rum erworben, anzeigen kannst es nicht des- 
wegen und die schwarze Kloane, de wo Dir das 

60 



Paekl gstohln hat, über de darfst auch nichts 
sagen. Du weißt schon warum. Und Dein Gselch- 
tes kannst auch wieder mitnehmen, des is von der 
schwarzen Sau, von der die Hälfte noch in Eurem 
Keller hängt, daneben der Butter und die Eier, 
Du und Dei Vater, es seids ja ganz erstklassige 
Schwarzhändler, oisa hoits Mäu und geh wieder! 
Die zwoa Decken san Überhaupts schon beim 
Färben in Salzburg, da laßt sich das kloa Fräu- 
lein an Wintermantel machen. Pfiiat de!“ Also 
sprach der Alisi. Der verblüffte Fragesteller aber 
sagte kein Wort mehr, warf das Trumm Ge- 
selchte auf den Tisch und verschwand. Seine 
zweimal gestohlenen Militärdecken bekam er auch 
nicht wieder, das kleine schwarze Fräulein aber 
soll ein paar saftige Liebestatscherl empfangen 
haben. Die Wahrheit ist manchmal bitter. 

Der tote Maler 

Irlmaier hatte früher geschäftlich als Brunnen- 
macher viel im Salzburger Land zu tun. Deshalb 
kam er häufig über die Grenze. Eines Tages war 
er bei einer Familie zu Gast und als der Kaffee 
gebracht wurde, sagte Irlmaier: Was ist denn das 
für ein Kunde, der da hinten steht? Ja, der ge- 
hört daher, den hat am Gartentiirl der Schlag 
getroffen und jetzt bittet er um was, eine heilige 
Meß brauchet er halt. Der hat in dem Haus ge- 
wohnt und da droben hat er seine Malerbudc 
ghabt. Jetzt weiß ichs, das ist der Maler M., 
nach dem haben sie eine Straß an der Salzach 
benannt. Als man Irlmaier dann das Selbstpor- 
trait des Malers zeigte, sagte er: „Ja, das ist er, 

61 


der drunten im Zimmer stellt. Laßts ihm nur 
gleich morgen bei den Kapuzinern eine Meß 
lesen! Jetzt dankt er mit der Hand, jetzt geht 
er.“ — Niemand der Anwesenden hatte gewußt, 
daß das Haus früher das Heim jenes berühmten 
Malers war. Erst als man zu dem Hausbesorger 
ging und nachfragte, wurde bestätigt, daß alles, 
was der Hellseher behauptet hatte, bis ins kleinste 
Detail stimmte, die Lage des Ateliers, der plötz- 
liche Tod des Malers durch Schlaganfall bei der 
Gartentüre usw. Der Verstorbene bekam seine 
heilige Messe bei den Kapuzinern; die Hausin- 
wohner aber konnten sich eines leisen Grauens 
nicht erwehren, wenn sie bei dem bewußten Gar- 
tentürl hineingingen. Es scheint doch mehr Dinge 
zwischen Himmel und Erde zu geben, als sich 
unsere Schulweisheit träumen läßt. 

Das Mädchen vom Ammersee 

Einmal kam ein Mädchen aus der Gegend am 
Ammersee zu Irlmaier und fragte ihn um Rat. 
Ohne weiteres sagte ihr der Hellseher folgendes: 
..Du hast von einem schlechten Kerl ein Kind. 
Da und da bist mit ihm beisammen gewesen. 
Zweimal hast Du ihm Geld gegeben, das drittemal, 
als er wieder Geld von Dir wollte, hast ihm keins 
mehr gegeben. Laß den schlechten Kerl laufen. 
Dein Vater ist von Mehl ganz weiß, der ist ein 
Müller. Euer Haus steht am Wasser, drüber der 
Straße ist auch ein stinkender Wassergraben. 
Wennst heimkommst, sag zu deinem Vater, er soll 
den Graben drainieren und das Wasser in Rohre 
leiten, das ist besser für euch. Deine Mutter ist 


62 


eine alte Frau, die hat am Bauch ein Gewächs. 
Sic soll sich operieren lassen und da braucht ihr 
keine Angst zu haben, sie hälts leicht aus und 
wird wieder gesund. 4 ' Dann beschrieb Irlmaier 
noch das Anwesen, die Mühle mit vielen Einzel- 
heiten. Dem Mädchen brach der Schweiß aus 
vor Aufregung, als Irlmaier sagte, sie solle ein 
andcresmal nicht mehr so dumm sein und leicht- 
gläubig. Ob der stinkende Wassergraben dann 
in Rohre gefaßt wurde und ob die Mutter sich 
tatsächlich operieren ließ, entzieht sich unserer 
Kenntnis. 

Der Stundenplan iur den Berliner 

Das war Anfang 1948. als ein junger Mann beim 
Irlmaier auftauchte. Er kam von Berlin und hieß 
Th. Als ehemaliger SS-Mann tat er sich besonders 
hart und wußte sich keinen Rat. Also ging er 
zum Brunnenmacher. Der schaute ihn eine Zeit- 
lang an, dann sagte er: Du bist lang eingsperrt 
gwen, eins, zwei, drei Stricherl, drei Jahr bist 
eingsperrt gwen, hast aber niemand was getan. 
Darum helf i Dir! Du möchst ins Oestcrreichischc 
und das wird auch Dein Vorteil sein. Dei Frau 
ist in Oesterreich begraben. Du lernst eine andere 
Frau, eine Witwe in S. kennen, die verschafft 
Dir Papiere und schließlich wirst Du sie heiraten, 
dann gehts Dir gut, Du kriegst wieder mehr zu 
essen. Deine erste Frau hat so und so ausgesehen, 
sie wurde krank. Ihre Krankheit wurde nicht 
erkannt und darum mußte sie sterben. Siehgst, 
da stchts neben Dir und lächelt traurig. Jetzt 
paß auf, was ich Dir sag! Am nächsten Montag 


63 


zwischen 12 und 4 Uhr gehst über die Grenz. 
Wennst früher oder später gehst, dann schnap- 
pens Dich. Nach 4 Uhr nachmittags möcht Dich 
ein österreichischer Grenzer verhaften. Dann mußt 
von Deiner Militärzeit erzählen, dann läßt er Dich 
wieder laufen, das ist um 4 Uhr 12 Minuten, 
weil ich Deine Uhr sehe. Also folg mir und jetzt 
pfüat Di Gott. Bet für Dei Frau! 

Die Anweisung Irlmaiers wurde genau befolgt. 
Der Berliner ging bei Sch. über die Grenze, da 
kam ein österreichischer Zöllner daher und fragte 
ziemlich barsch nach den Papieren. Der Berliner 
Th. sagte blank weg: „Ich hab keinen Grenz- 
schein, aber ich war jetzt drei Jahre gefangen. 
Sie sind doch auch Soldat gewesen, ich möchte 
nur das Grab meiner Frau besuchen, die ist in X. 
begraben. Kamerad, hilf mir, ich will ja nichts 
Böses“. Da ließ sich der Gendarm erweichen und 
ließ Th. laufen. Der schaute auf die Uhr, es war 
4 Uhr 12 Minuten. Froh wanderte der Berliner 
weiter und es spielte sich dann alles genau so ab, 
wie lrlmaier es vorausgesehen hatte. Er traf in 
N. über der Grenze die Witwe und fand bei ihr 
ein Heim, wie er mir später erzählte. 

Wenn lrlmaier schweigt 
oder „drum herum redet“ 

Hier seien einige Bemerkungen eingefügt über 
Aussagen Irlmaiers, die wirklich nicht den Tat- 
sachen entsprochen haben. Es gibt Tage oder hat 
Tage gegeben, an denen der Hellseher buchstäb- 
lich von der Frühe um 6 Uhr bis in die Nacht 
um 1 Uhr ununterbrochen mit Fragen bestürmt 

64 


wurde. Wenn man bedenkt, was es allein körper- 
lich für eine Anspannung bedeutet, in dem sehr 
kleinen Raum, in dem lrlmaier .seine Gäste zu 
empfangen pflegte, 20 und noch mehr Stunden 
auszuhalten, pausenlos die verhärmten, ängst- 
lichen, teilweise verzweifelten Menschen auch nur 
anzuhören, dann kann man sich denken, daß der 
Mann ermüdet. Außerdem bedeutet jede Bemü- 
hung etwas zu „sehen**, eine geistige Konzentra- 
tion, eine Willensenergic, die mit der Zeit immer 
schwieriger aufzubringen ist. lrlmaier ist aber 
ein durchaus gutmütiger und gefälliger Mensch. 
Er hat ein sehr mitleidiges Herz und möchte gern 
helfen, wo er helfen kann. Er hat tatsächlich an 
vielen Tagen bis zur Erschöpfung seine eigentüm- 
liche Begabung den Hilfesuchenden zur Verfü- 
gung gestellt. Wenn nun eine verzweifelte Mutter, 
ein schmerzerfüllter Vater die bange Frage an 
ihn richtet: „Lebt er noch?*’ 

Dann kommt es den Hellseher oft sehr hart an, 
wenn die bekannte schemenhafte Gestalt vor 
seinem Auge auftaucht, oft verstümmelt und blut- 
befleckt. Dann weicht lrlmaier aus, redet um die 
Sache herum, läßt die Leute lieber im Unge- 
wissen, denn die Wahrheit ist etwas, was nicht 
jeder vertragen kann. Darum hat Gott die Zu- 
kunft vor unseren Augen verschlossen. Wenn es 
trotzdem immer Seher und Propheten gegeben 
hat, so soll dies eine Warnung an die Gutgläu- 
bigen sein, daß besondere Ereignisse bevorstehen. 
Irren kann sich freilich jeder Mensch und 
Schrecknisse können durch das Gebet und die 
Fürsprache der Heiligen abgewendet werden, wie 
schon im Fall des Jonas deutlich geworden ist. 

65 

ö 



Wenn wir hier nur peinlich genau beglaubigte 
Fälle bringen, so mag es genügen, um eine Tat- 
sache fcstzüstellen: Die Eidetik, das Ilellsehen, 
ist nicht mehr wegzuleugnen. Wer es anders er- 
klären kann, erkläre es! Dieses Gebiet der Para- 
psychologie ist noch nicht genug wissenschaftlich 
erforscht, infolgedessen halten wir es für unsere 
Pflicht, nur einwandfrei feststehende Vorkomm- 
nisse niederzulegen. Nicht* um Neugierde oder 
Abergläubische mit Lesefutter zu versorgen, son- 
dern um ernste Untersuchungen handelt es sich 
bei unserer Arbeit, allerdings auch um die gläu- 
bigen Zeitgenossen vor drohendem Unheil zu 
warnen. Das ist der Grund, warum wir die Ge- 
sichte Irlmaiers bringen und auf ihre Wahrheit 
untersuchen. 

„Die Bomben tun Euch nichts“ 

So um 1944. als die Zerstörung der Städte durch 
Bombenangriffe immer mehr zunahm, war der 
Freilassinger Hellseher einmal zu Besuch bei 
einem Verwandten. Natürlich drehte sich das Ge- 
spräch um den Krieg und die immer häufigeren 
Alarme. In dem kleinen Städtchen war eigentlich 
nur ein einziger absolut sicherer Unterstand. Ein 
Nachbar, der bei der Anwesenheit Irlmaiers auf 
einen kurzen „Ratsch“ beim Nachbar war, meinte: 
„Wo wir hinrennen sollen, wenns einmal richtig 
kracht, das weiß ich nicht.“ Da sagte Irlmaier: 
„Du kannst ruhig in Deinem Haus bleiben, da 
passiert gar nichts. Aber in der und der Gegend 
wird fast alles zusammengeschlagen, da gibts 
auch Tote genug. Da fallen zweimal die Bomben. 



Euch tuts nichts.“ Infolge dieser Voraussage blieb 
K. bei allen Fliegeralarmen in seinem Haus und 
als dann wirklich gegen Ende des Krieges zwei 
schwere Angriffe erfolgten, wurde tatsächlich nur 
jene Gegend, die Irlmaier bezeichnet hatte, 
schwer von den Bomben getroffen und es gab 
viele Tote. 


Statt der Sau ein Kalb 

Einen spaßhaften Irrtum Irlmaiers wollen wir 
nicht verschweigen. Allerdings konnten wir diese 
an sich unwichtige Sache nicht nachprüfen, doch 
dürfte dies in dem betreffenden Fall gleichgültig 
sein. Es war zu jener Zeit, als der Schwarz- 
handel blühte. Da notschlachtete ein glücklicher 
Schweinebesitzer das fett gewordene Borstentier, 
um wieder einmal einen ordentlichen Schweins- 
braten auf den Tisch zu bekommen. Das gleiche 
Gelüste hatte aber auch ein Unbekannter, der das 
rosig schimmernde Fleisch irgendwie in seinen 
Besitz brachte und damit spurlos verschwand. 
Der sehr enttäuschte Schweineschlächter hatte 
zwar verschiedene Verdachtsgründe, aber zu 
einem schlüssigen Beweis fehlten die Voraus- 
setzungen. Also sofort auf nach Freilassing zum 
Irlmaier, der wirds schon wissen. Der Alois war 
zufällig daheim und überlegte sich die Sache, 
dann gab er folgende Erklärung ab: „Wenn Du 
heut in der Nacht heimgehst von dieser Fahrt 
nach Freilassing, dann wird Dir so um 10 Uhr ein 
Mann begegnen, der hat einen Hut mit Gamsbart 
auf, ist ein Untersetzter, er hat einen dunklen 
Schnurrbart. Am Buckel hat er einen schweren 

07 

5 ' 


66 


Rucksack, in dein ist ein Haufen Fleisch drinn. 
Also pfüat Di!“ Der Bestohlene machte sich mit 
dieser Weissagung auf die Heimfahrt, da er von 
der Bahnstation noch einen ziemlichen Weg zu 
seiner Behausung hatte. Trotz der erheblichen 
Finsternis spitzte er wie ein Luchs umher, und 
richtig, so um 10 Uhr herum begegnete ihm einer 
mit einem schweren Rucksack, der ziemlich eilig 
fürbaß ging. Alles stimmte, die untersetzte Figur, 
der Hut mit dem Gamsbart, der kräftige Schnurr- 
bart. ..Das ist er“, sagte sich unser Schweins- 
bratenberaubte, machte in einem Bogen kehrt und 
ging dem Rucksackmann eilig nach, bis dieser in 
einem Haus verschwand. Ein Gendarm >var 
schnell bei der Hand, als er von dem Dieb hörte, 
und dann ging es gemeinschaftlich in das bewußte 
Haus. Da saß der mit dem Schnurrbart gerade 
bei der Brotzeit und wischte sich den Schweiß 
von der Stirn, als der Hüter des Gesetzes un- 
versehens eintrat. „Na, wo ist das gestohlene 
Fleisch, heraus damit“, sprach der Gendarm zu 
dem Erbleichenden. Der Bestohlene aber hatte 
schon den Rucksack auf der Ofenbank erspäht, 
ein Sprung und das Geheimnis enthüllte sich. Als 
man aber das Fleisch herauszog, war es kein 
Schweinernes von der gestohlenen Sau, sondern 
ein Kälbernes von einer Schwarzschlachtung. Aber 
gestohlen war es auch. Wo lag der Fehler? 

Die Kiste unter dem Kohlcnhaufen 

Frau X. hatte große Wäsche. Das ist in jedem 
Haushalt ein Ereignis, denn es kostet Mühe und 
Arbeit genug, in diesen teueren Zeiten die gute 


Wäsche richtig zu erhalten. Deswegen war die 
Frau froh, als das letzte Stück gereinigt an der 
Leine hing. Nach getaner Arbeit ging sie einer 
anderen Beschäftigung nach. Als sie wieder nach 
der Wäsche sah, war diese bis zum letztenn Stück 
verschwunden. Ein Dieb hatte eine günstige Ge- 
legenheit benützt, um damit zu verschwinden. 
Den Schrecken der Frau kann man sich vorstel- 
len, als sie von der unerfreulichen Tatsache 
Kenntnis nahm, und wehklagend kam sie zu 
ihrem Mann. Der dachte sofort an Irlmaier und 
schleunigst wurde „der Alisi“ um Rat gefragt. 
„Wo is mei Wasch“, sagte die betrübte Frau, 
„Irlmaier, i bitt Di, hilf mir!“ Und der Hellseher 
half, wie er auch sonst gern hilft, wo er kann. 
„Du weißt doch das Haus vom Y., da gehst nei 
und in Keller nunter. Aber nicht im ersten Kel- 
ler, da gehst durch, da is noch ein zweiter Kel- 
ler, da gehst hinein. Und da sind Kohlen, ein 
großer Haufen. Die mußt wegschaufeln, dann 
findest Du Deine Wasch wieder , sagte der Hell- 
seher. Das ließ sich die Frau nicht zweimal 
sagen. Sie bat einen Schutzmann mitzugehen und 
machte sich auf den Weg in das bewußte Haus. 
Die Hausleute wartfn sehr empört, daß ein Gen- 
darm daherkam und von einem Wäschediebstahl 
die Rede war, aber schließlich ging alles in den 
Keller. Und siehe da, im zweiten Keller war 
der große Kohlenberg. Eine Schaufel war schnell 
bei der Hand. Schon in kurzer Zeit kam eine 
große Kiste zum Vorschein und darin lag noch 
naß, wie sie von der Leine gekommen war, die 
gestohlene Wäsche. Daß die Frau hocherfreut 
abzog, kann jede Hausfrau lebhaft nachfühlen. 


G8 


69 


Was weiter geschah, ist belanglos. Die Tatsachen 
selbst haben wir in F. nachgeprüft. 

Der Blick über den Ozean 

Als sieh das Gerede uin die .hellseherischen 
Eigenschaften des Brunnenmachers von Freilas- 
sing immer weiter verbreitete, kamen auch Leute 
aus den Vereinigten Staaten zu Irlmaier, um sich 
Auskunft zu holen. Vielleicht waren es Gefühle 
des Heimwehs nach den so weit entfernten An- 
gehörigen, jedenfalls kamen besonders viel far- 
bige Soldaten, um den Hellseher zu besuchen. 
Einmal kam ein Amerikaner nach Freilassing. 
Irlmaier beschrieb nun dem Fragenden sein Haus 
bis in die kleinsten Einzelheiten. Leider sah er 
in dem Heim des Amerikaners dessen Frau auf 
dem Totenbett und sagte es auch dem erschüt- 
terten Gast. Aber es sagte ihm noch etwas: „ln 
Deinem Haus sitzt einer drinnen, der will Dich 
um Hab und Gut bringen. Er sinniert Tag und 
Nacht darauf, wie er in den Besitz des Hauses 
kommen kann. Fahr so bald wie möglich heim, 
sonst ist es zu spät.“ 

Der Amerikaner erhielt kurze Zeit darauf die 
Nachricht, daß seine Frau wirklich gestorben war. 
Sein Schwager, der Bruder der Frau, hatte 
Schritte eingeleitet, um den Gatten der Verschie- 
denen als unzurechnungsfähig erklären zu lassen, 
damit eine Erbschaft abgebogen werden konnte. 
Nach Regelung der ganzen Angelegenheit (der 
Amerikaner war sofort nach den Vereinigten 
Staaten abgereist) erhielt Irlmaier ein Dank- 
schreiben, welches die Voraussagung vollinhalt- 
lich bestätigte. Zeit und Raum scheinen also beim 


Ilellschcn keine Rolle zu spielen, denn Name 
und Wohnort des Betreffenden liegen vor. 


Das Spruchkammerurteil: 

„A Sechser und a Neuner 4 

In der Zeit, als die Spruchkammer- Verhandlun- 
gen auf ihrem Höhepunkt waren, hatte auch ein 
Mann aus unserer Gegend sehr schwere Sorgen. 
Seine eigenen Verwandten „tauchten“ ihn mit 
Denunziationen bei allen möglichen Stellen hin- 
ein. Der Grund war, wie in so vielen Fällen, 
Habsucht und Gemeinheit. Der Betreffende hatte 
ein nettes Haus und das wollte eine Verwandte 
gern haben. Das konnte man so um 1947 herum 
am besten machen, wenn man den Besitzer so- 
zusagen auf kaltem Wege unschädlich machte. 
Also wurde der Betreffende zum „Nazi“ gestem- 
pelt, obwohl er nur Mitglied der NSV gewesen 
war. Es folgte sogar Verhaftung und Lager Moos- 
burg, bis es dann zur endgültigen Verhandlung 
kam. Begreiflicherweise hatte der Mann großes 
Verlangen, den Ausgang zu erfahren, Da er nun 
Irlmaier kennt, ging er zu ihm und fragte: 
„Wie gehts naus?“ 

Der Hellseher sagte: „Hab koa Sorg, Dei Sach 
gellt guat naus. Sie und Dei Nachbar möchten 
Dich hineintauchen, es geht aber anders und er 
soll nur schauen, daß er nicht selbst hinein- 
kommt. Und da siech i no an Sechser und an 
Neuner, des werd si na scho ausweisen.“ 

Nach einiger Zeit fand die Verhandlung statt 
und verlief auch so, wie es Irlmaier „gesehen“ 


70 


71 


hatte. Die Zeugen verwickelten sich in ziemliche 
Widersprüche, das Resultat war eine Strafe von 
600 Mark, die Gerichtskosten beliefen sich auf 
300 Mark, insgesamt also 900 Mark. So war auch 
der Sechser und der Neuner in Erfüllung gegan- 
gen. Der mir das erzählt hat, Herr H. in F., war 
selber derjenige, welcher dies alles am eigenen 
Leib erlebt hat. Er sitzt in seinem Häusl und 
schwört auf den Alisi, der ihm alles so genau vor- 
ausgesagt hat. 

Merkwürdiger Termin 

Wieder einmal fragte jemand um das Schicksal 
eines Kriegsgefangenen. Der Mann hieß L. und 
hatte die Nummer: Moskau 3956. Irlmaier sagte 
folgendes voraus: „Vor Eurem Haus habt Ihr 
ein kleines Feld. Auf dem Feld wird iin Herbst 
Weizen angebaut. Wenn dieser Weizen im näch- 
sten Jahr geschnitten ist und die Stoppeln auf 
dem Feld stehen, dann kommt er heim. Aber er 
ist sehr krank. Trotzdem wird er wieder gesund 
werden.“ Das war im Jahre 1947. Im Herbst 
dieses Jahres wurde auf dem kleinen Grundstück 
Weizen angebaut. Als der Weizen 1948 ge- 
schnitten war und die Stoppeln noch auf dem 
Acker standen, kam L. tatsächlich nach Hause. 
Allerdings hatte er noch Hungerödem und mußte 
in eine Heilanstalt, genas aber wieder und ist 
heute gesund im Kreis seiner Familie. Sein voller 
Name ist bekannt. Manchmal schaut er auf das 
kleine Feld vor dem Haus und denkt darüber 
nach, wie der Irlmaier das alles voraussehen 
konnte. Darüber wundern sich heute mehr Leute. 

72 



Um acht Tausender 

Eine Frau in L. in Oberfranken mußte eines 
Tages die Beobachtung machen, daß ihr ganzes 
Vermögen in Höhe von 8000 Mark gestohlen wor- 
den war. Sie hatte zwar einen Verdacht auf 
eine andere Frau, konnte jedoch keinen Beweis 
dafür aufbringen. In ihrer Verzweiflung - wandte 
sie sich an den Hellseher von Freilassing. Nach 
verschiedenen vergeblichen Versuchen entschloß 
sie sich zu der weiten Reise von Oberfranken 
bis an die Grenze in Bayern. Irlmaier sagte ihr 
sofort: „Dein Geld hat Dir nicht die Frau ge- 
stohlen, sondern ein Mann.“ Dann beschrieb Irl- 
maier den Mann so genau, daß die Bestohlene 
sofort wußte, wen er meinte. „Der hats gstohln, 
jetzt fährst heim und sagst es ihm aufn Kopf 
zu, na kriegst Dei Geld wieder!“ Diesen Rat 
befolgte die Frau aus L., fuhr heim und ging 
sofort zu dem ihr von Irlmaier beschriebenen 
Mann. Sie sagte: „Ich weiß bestimmt, daß Sie 
mir die 8000 Mark gestohlen haben. Wollen Sie 
das Geld herausgeben oder soll ich zur Polizei 
gehen?“ Da gestand der Mann, der eine große 
Familie zu ernähren hat, daß er der Versuchung 
bei einer günstigen Gelegenheit erlegen sei und 
die Summe tatsächlich gestohlen habe. Er brachte 
die ganzen 8000 Mark zurück und bat flehent- 
lich, von einer Anzeige bei der Polizei abzusehen 
und ihn nicht ins Unglück zu stürzen. Da es der 
Bestohlenen in der Hauptsache nur um das Geld 
zu tun war, erstattete sie keine Anzeige. Sie 
schickte aber ein Danktelegramm und einen aus- 
führlichen Brief nach Freilassing. Die beiden 

73 


Schriftstücke wurden dem Schreiber dieser Zei- 
len vorgelegt, der Sachverhalt ist vollständig 
einwandfrei belegt. Infolge der sehr weiten Ent- 
fernung von L. in Oberfranken nach Freilassing 
ist wohl jeder Verdacht irgend einer anderwei- 
tigen Kenntnis der Verhältnisse abwegig. 

Der Todesfall in der Familie 

Einen weiteren sehr traurigen Fall erlebte eine 
Familie in S., mit der Irlmaier sehr gut bekannt 
ist. Eines Tages war er dort wieder zu Gast. 
Auf einmal „sah“ er wieder etwas und ver- 
stummte. Als er gefragt wurde, was denn los 
sei, sagte er: „In Eurer Familie wird sich bald 
ein Trauerfall ereignen. Ich sehe einen Mann 
am Boden liegen, er hat etwas am Unterleib 
und wird daran sterben.“ Die Familie, welche 
die Sehereigenschaften Irlmaiers kennt, riet hin 
und her, wer der Todeskandidat sein könnte, 
und kam schließlich auf einen Verwandten, der 
ein Magengeschwür hatte. Diese Vermutung war 
allerdings falsch, wie sich später herausstellte. 
Nach vier Wochen nämlich wurde ein Ver- 
wandter von einem Pferde, das sonst absolut 
fromm und zuverlässig war, plötzlich aber aus- 
schlug, so hart in die ßauchgegend getroffen, 
daß er zu Boden fiel und schwere innere Ver- 
letzungen davontrug. Trotz schnellster ärztlicher 
Hilfe war eine Rettung nicht mehr möglich, 
der junge, kräftige Mensch mußte sterben. Es 
ist begreiflich, daß man seit dieser Zeit den 
Brunnenmacher nicht mehr gern fragt, was er 
sieht, wenn er auf Besuch kommt. 


74 


3 mal 27 

Ein merkwürdiger Fall ereignete -sich vor einigen 
Jahren, als der Brunnenmacher von Freilassing 
um das Schicksal eines Kriegsgefangenen gefragt 
wurde. Er betrachtete lang das Bild des jungen 
Mannes, dann sagte der Hellseher: 

„Er kommt bald nach Deutschland, aber dann 
muß er in ein Lazarett. Dann seh ich nichts 
mehr.“ Auf Drängen des Fragenden, wann denn 
der Kriegsgefangene heimkomme, erklärte Irl- 
maier, das könne er nicht sagen, aber er sehe 
immer die Zahl 27 und zwar dreimal. Was das 
bedeute, könne er aber nicht deuten. Tragischer- 
weise erfüllte sich diese Voraussage in folgender 
Weise. Der Kriegsgefangene wurde am 27. Sep- 
tember im Ural in Marsch gesetzt, um in die 
Heimat zu kommen. Er traf in Frankfurt an der 
Oder ein, war aber sehr krank geworden. Ins 
Lazarett eingewiesen, konnte er infolge der er- 
littenen Strapazen die Krankheit nicht mehr über- 
winden und starb am 27. Oktober desselben Jahres. 
Am 27. Dezember erhielten die tiefbetrübten An- 
gehörigen die Todesnachricht durch den Bürger- 
meister des Ortes. Kurze Zeit darauf erschien in 
der Heimat des auf so tragische Weise Verstor- 
benen ein Kamerad, der alle Einzelheiten dieses 
Falles und die genauen Daten dieser Mitteilung 
bestätigte. So waren auch die drei Siebenund- 
zwanziger erklärt. Als später Irlmaier deswegen 
Vorwürfe gemacht wurden, weil er den Tod des 
Kriegsgefangenen nicht erwähnt- hatte, sagte der 
Hellseher: „Ich habe es genau gesehen, wie er 
, verschleiert 4 wurde, aber ich wollte es Euch nicht 
sagen, weils mir derbarmt habts.“ — Es ist eine 

75 


alte Geschichte, die armen gequälten Leute wol- 
len natürlich diese Dinge nicht hören, viele wer- 
den auch darunter sein, die diese tragische Seite 
des Hellsehens nicht ertragen können. Umsonst 
hat Gott die Zukunft nicht ins Dunkle gehüllt. 
Aber ein Gedanke geht uns nicht aus dem Sinn. 
Ist es nicht ein gewisser Ausgleich, wenn durch 
den Mann in Freilassing Tausende irgend eine 
Hoffnung bekommen, nachdem eine satanische 
Grausamkeit es verhindert, daß Kriegsgefangene 
auch nur die kürzeste Nachricht in die Heimat 
senden? Ist es manchmal nicht besser, zu wissen, 
daß der Vermißte längst den ewigen Frieden ge- 
funden hat, als jahrelang zu bangen und zu 
hoffen, um dann gar nichts oder nur durch eine 
solche eigentümliche Gabe das Schicksal eines 
lieben Menschen zu erfahren? 

Bis in die kleinsten Einzelheiten 

Wir erhielten folgende briefliche Mitteilung, die 
wir ohne jeden Kommentar wortwörtlich hier 
wiedergeben : 

„Ich fuhr mit meinem Schwager zu Irlmaier, um 
einen Diebstahl, einen Lastwagen betreffend, zu 
klären. Irlmaier wußte weder woher Herr H. 
kam, noch was passiert war. Herr II. 'bezweifelte 
grundsätzlich die Möglichkeit des Hellsehens und 
gab sich nach diesem Ergebnis restlos geschlagen. 
Irlmaier sagte H. folgendes: „Dir hat man an 
Deinem Lastwagen Reifen abmontiert. Vier sinds! 
Wenn sie nicht gestört worden wären, hätten 
sie die restlichen auch noch mitgenommen. Ich 
sehe den Wagen stehen in einer Sandmulde, 


76 


warum hast Du den Wagen nicht in der Garage? 
Er steht auf drei Füßen ganz nieder am Boden. 
Ein umgebauter Personenwagen war es, der Deine 
Reifen fortbrachte. Von der Leite her ist der 
Diebeswagen angefahren und nicht von der Straße, 
wo nach Spuren gesucht wurde.“ Hierauf folgte 
die genaue Beschreibung der Diebe, die soweit 
ging, daß er sogar sagen konnte: „Der eine ist 
ein Steiermärker. Kriegen tust Deine Reifen nicht 
mehr, einen hat er vertauscht gegen Lebens- 
mittel, die anderen drei liegen unterm Heu in 
einem Stadel versteckt. Mit diesen können sie 
nicht viel anfangen, sie sehen nur äußerlich gut 
aus, taugen aber nicht mehr viel. Beim Reifen 
vom linken Hinterrad hast Du einen Steindurch- 
schlag.“ (Stimmte ganz genau 1) Die Personen-, 
Orts- und Verwandtschaftsbeziehungen der beiden 
Diebe stimmten so genau und deckten sich völlig 
mit der Person, die Herr II. schon vorher in 
Verdacht hatte. - P.“ 

Der bestätigte Brief 

Es ist begreiflich, daß Angehörige von vermißten 
Soldaten sich zu Tausenden an den Hellseher um 
Auskunft wenden. Unter den allzuvielen Anfragen- 
den befinden sich aber auch solche, die einen 
bereits als gefallen Gemeldeten immer noch unter 
den Lebenden glauben. Es ist nun gerade für den 
weichherzigen Irlmaier eine sehr schwere see- 
lische Belastung, solche Anfragen zu bearbeiten. 
Denn ihm zeigt sich in vielen Fällen das Ge- 
schehen des Todes in grausamer Klarheit und er 
wendet sich dann erschüttert ab: „Tu ’s weg, 


77 


das Bildl, ich kanns nimmer anschauen, der arme 
Mensch! Und wie soll ich es seiner Mutter sagen, 
die fallt ja um vor Schmerz.“ So sagte er kürz- 
lich, als ihm ein Soldatenbild vorgelegt wurde. 
Er beschrieb dann auf Bitten noch, wie sich der 
Tod des Soldaten abgespielt hatte. Er hatte einen 
Granatsplitter an der Schulter und einen in die 
rechte Schläfe erhalten und war sofort tot. Als 
nun den Angehörigen diese traurige Nachricht 
übermittelt wurde, waren sie nicht überrascht. 
Denn der Kompanieführer des Gefallenen hatte 
fast wörtlich übereinstimmend den Tod des be- 
treffenden Soldaten ebenso geschildert. 

Das siebente Kind 

Als der Brunnenbauer vor nicht allzu langer Zeit 
bei jemand in T. auf Besuch war, beschrieb er, 
ohne die Wohnung jemals betreten zu haben, 
genau die Lage des Schlafzimmers, die Stellung 
der Betten und bewies später durch einen Ruten- 
gang, daß wirklich ein Wasserlauf das Zimmer 
schnitt und direkt unter einem Bett durchging. 
Tin Lauf des Gesprächs schaute er wieder ein- 
mal kurz ins Dunkle und sagte dann plötzlich: 
„Du hast sieben Kinder.“ Als der Angesprochene 
das korrigierte und meinte: „Nein, ich hab vier 
lebende Kinder, zwei sind gestorben, also da hast 
du dich geirrt.“ Da bewies Irlmaier, daß er wirk- 
lich ein echter Hellseher ist, denn er sagte: „Du 
hast vergessen, daß deine erste Frau eine Früh- 
geburt hatte.“ Diese Aeußerung war richtig, sie 
berührte aber eine Tatsache, die außer einer 
einzigen Person auf der ganzen Welt niemand 


78 


wußte und wissen konnte. Es war auch nie dar- 
über gesprochen worden und die Mutter war 
seit langer Zeit tot. Nun soll jemand erklären, 
wie auf natürliche Weise ein solches Geheimnis, 
das jederzeit eidlich erhärtet werden kann, zur 
Kenntnis Irlmaiers gelangen konnte. Jeder Betrug 
oder eine Vorkenntnis ist ausgeschlossen. Hier ist 
ein Problem, das jeden unbefangenen und un- 
voreingenommenen Forscher interessieren muß. 
Es gibt bereits eine Reihe von Gelehrten, die 
die Parapsychologie (Forschung des Ucbcrsinn- 
liehcn) mit allem Ernst betreiben. Hier haben 
sic eine weitere harte Nuß zu knacken. 

Der Mann mit der Prothese 

Folgende verbürgte Geschichte zeigt wieder ver- 
blüffende Einzelheiten, die auf gewöhnliche Er- 
klärungen hin nicht denkbar erscheinen. Ein ßalin- 
beamter hatte sich irgendwo in Oberbayern ein 
Häuschen gebaut und geheiratet. Das Glück war 
aber nicht ungetrübt, denn die Ehefrau kränkelte 
und wollte nicht gesunden. Alles, was Aerzte an 
Mitteln der modernen Medizin anwandten, war 
vergeblich. Durch Bekannte wurde der Beamte 
auf den Brunnengraber Irlmaier aufmerksam ge- 
macht und benützte die Gelegenheit zu einer 
Aussprache. Er schilderte seine Audienz bei dem 
Hellseher folgendermaßen: 

„Wie ich hineinkomme in seine Kabine, Zimmer 
kann man nicht sagen, Aveil die Hütte so klein 
ist, sagt der Irlmaier: ,Da setz dich her, brauchst 
mir gar nichts zu sagen, ich weiß schon, warum 
du kommst. Deine Frau ist krank. 4 Dann bc- 


79 


schreibt mir dieser Mann, den ich in meinem 
Leben zum ersten Male sehe, mein Haus so genau 
mit allen Einzelheiten, daß ich. einfach baff bin. 
Er sagt mir, daß Wasseradern unter dem Haus 
durchgehen, daß in unserem Schlafzimmer jeden- 
falls das Bett meiner Frau über einer solchen 
Ader stehe, und wenn er nach M. komme, werde 
er die Gelegenheit benützen, um mir das mit 
der Rute zu beweisen. ,Ihr müßts das Bett anders 
aufschlagen*, sagte dieser seltsame Mann, ,dann 
wirds bei deiner Frau gleich besser gehen'. Ich 
bedankte mich bei ihm und dann kamen wir auf 
die Zukunft des Vaterlandes zu sprechen. Irl- 
maier bestätigte mir wieder, was ich schon von 
anderer Seite gehört hatte, daß er ein Ereignis 
voraussehe, das mit einem Zusammenstoß feind- 
licher Heere enden werde. Und er sagte ferner, 
daß alle Männer bis zu einem gewissen Alter 
dann gemustert würden, zum Einsatz käme frei- 
lich keiner, weil alles so schnell ginge. Um den 
Seher auf die Probe zu stellen, fragte ich ihn: 
,Nun, wenn das schon in absehbarer Zeit kommen 
soll, dann wirds mich auch erwischen, weil ich 
ja noch nicht die Altersgrenze erreicht habe. 
Werde ich dann auch gemustert werden?' Dazu 
muß ich bemerken, daß ich im letzten Krieg 
einen Fuß verloren habe (Unterschenkelampu- 
tation). Ich hatte aber das Glück, eine so meister- 
hafte Prothese zu bekommen, daß nicht einmal 
nähere Bekannte von mir wußten, daß ich ein 
Bein verloren habe und eine Prothese trage. Auch 
Irlmaier konnte es nicht bemerken, erstens weil 
es in seiner Pude ziemlich düster war und 
zweitens weil ich beim Niedersitzen in keiner 


Weise behindert bin. Der Hellseher sagte nun 
auf meine Frage, indem er spitzbübisch lachte: 
,Ja, mustern tuns Dich schon, aber was willst 
denn Du mit Deinem künstlichen Haxen, Dich 
könnens nicht mehr brauchen! Fahr nur wieder 
heim, ich komm sowieso einmal zu Dir. Dann 
schauen wir nach wegen der Wasserader.' Mit 
diesen Worten verabschiedete er sich. Ich fuhr 
heim und erzählte meiner Frau alles. Wie es so 
geht, das Umstellen der Betten verschoben wir, 
aber in dem Bett meiner Frau schlief einstweilen 
meine Schwägerin, während wir selbst in einem 
anderen Zimmer unsere Liegestatt aufschlugen. 
Es dauerte nicht lang, bis nun meine Schwägerin 
über alle möglichen Schmerzen zu klagen anfing, 
sich über unruhigen, schlechten Schlaf beschwerte 
und schließlich doch zu der Ueberzcugung sich 
bekehrte, daß der Irlmaier wirklich nicht un- 
recht gehabt habe mit seinen Meinungen über 
die Wasserader. Die Schwägerin hatte nämlich 
die ganze Sache als ein Hirngespinst betrachtet 
und nicht daran geglaubt. 

Eines Tages kam Irlmaier dann zu uns und zeigte 
mit seiner Rute und einem Stück Kreide genau 
an, wo die Wasserader lief. Wir überzeugten 
uns, daß seine Aussage genau gestimmt hatte. Er 
sagte uns noch mehr. ,Da hast Deinen Kühl- 
schrank, gel, da hast alle Augenblick Repara- 
turen, die Sachen verderben. Und da hast eine 
Klingelanlage mit einer Batterie. Wie oft ist denn 
die Batterie hin? Gel, alle vier Wochen mußt 
den Installateur kommen lassen und keine Bat- 
terie hält Dir aus. Weißt auch warum? Da schau 
her, Dein Eisschrank steht direkt über der Wasser- 


ader und die Batterie für Deine Klingelanlage 
hast auch in dieser schönen Wasserader drinnen. 
Und wenn ihr das Bett nicht anderswo hinstellt, 
dann muß Deine Schwägerin ins Krankenhaus und 
bleibt immer wieder kränklich und schmerzen- 
geplagt. Es kann dann auch so viel Schaden an 
ihrer Gesundheit entstehen, daß sie überhaupt 
nicht mehr geheilt werden kann.“ 

Tn dem Haus am Hachinger Bach haben sie dann 
die Betten umgestellt, und seitdem ist ein Ende 
mit dem Rheumatismus, den Rückenschmerzen, 
dem Kopfweh und dem unruhigen Schlafen, nach 
dem man wie gerädert aus dem Bett steigt und 
den ganzen Tag müde ist und arbeitsunfähig. 

Neuere Gesichte 

Erstaunliche Wassersuchc 

In St. war ein hoher Besuch im Kloster eingetrof- 
fcn, die Oberin einer klösterlichen Niederlassung 
in Argentinien. Sie hatte schwere Sorgen, die 
ehrwürdige Mutter. Denn in Südamerika ist das 
Wasser noch kostbarer als bei uns und die Non- 
nen fanden trotz vieler Versuche kein Wasser. 
Man rief Irlmaier und legte ihm eine genaue 
Karte der Umgebung des Klosters in Argentinien 
vor. Irlmaier tastete die Karte ab und bezeich- 
nete sofort eine Stelle am Hang eines Hügels in 
nächster Nähe der Niederlassung. Die Oberin 
reiste dann von Straubing nach Argentinien zu- 
rück. Bald kam ein Brief und teilte mit, daß 
die Grabungen an der bezeichneten Stelle zu einer 
ergiebigen Wasserader geführt hatten. 

82 


Der aufgcdecktc Mord 

In Z. in der Schweiz hatten zwei Banditen einen 
Bankdirektor herausgelockt und brutal ermordet. 
Trotz angestrengter Tätigkeit der tüchtigen Polizei 
konnten die Mörder nicht ermittelt werden. Irl- 
maier, der damals gerade in P. in der Schweiz 
eine Wasserader für ein Turbinenwerk suchte 
(und auch fand), hörte von dem Verbrechen und 
ließ durch einen bekannten Schweizer der Polizei 
eine genaue Beschreibung der Banditen zugehen 
und nannte sogar deren Aufenthaltsort. Darauf 
konnten die zwei Burschen verhaftet werden und 
legten sofort ein Geständnis ab. Nicht bloß die 
Polizeileute waren erstaunt über diese verblüf- 
fende Tat des Hellsehers von der Salzach. 

Der Mann mit dem Vollbart 

Als Irlmaier in München wegen eines defekten 
Kugellagers in seinem alten „Wanderer“ eine 
Reparaturwerkstätte aufsuchen mußte, wurde ihm 
erklärt, daß bereits Arbeitsschluß sei und des- 
wegen das Auto erst am nächsten Tag repariert 
werden könne. Als einer der Mechaniker erfuhr, 
daß Irlmaier da sei, ging er freudestrahlend auf 
den Brunnengraber zu und sagte: „Aus Dankbar- 
keit mache ich Ihren Wagen sofort noch fertig. 
Denn Sie haben seinerzeit meiner Frau gesagt, 
als sie zu Ihnen mit meiner Fotografie kam und 
um mein Schicksal als russischer Kriegsgefangener 
fragte: , Obwohl Dein Mann als vermißt gemeldet 
ist, brauchst keine Angst zu haben. Er lebt und 
arbeitet bei einem Eisenbahnbau. In drei Jahren 

83 


o* 


kommt er heim. Ich sehe ihn abends vor deiner 
Wohnungstür stehen. Da kennst ihn nicht, weil 
er einen Vollbart hat, aber dann kennst ihn.* 
Genau so war es.“ 

Fünf und sieben 

Eine Frau in der Nähe von W. in Oberbayern, 
deren Mann als gefallen gemeldet war, wollte 
wieder heiraten. Da es ihr aber keine Ruhe ließ, 
wandte sie sich ira Frühjahr 1950 durch eine 
Bekannte an Irlmaier. Der Hellseher betrachtete 
die Fotografie eingehend, dann sagte er: „Die 
Frau soll nicht wieder heiraten. Ihr Mann lebt. 
Ich sehe eine fünf und eine sieben, ich weiß 
aber nicht, was diese Zahlen bedeuten. Aber er 
kommt wieder zu seiner Frau. Am 7. Mai 1950 
traf aus Rußland ein Heimkehrertransport ein. 
Unter den ehemaligen Gefangenen war auch der 
Mann aus W., für' den bereits der Gottesdienst 
gehalten worden war. 

Der Mann mit dem Motorrad 

Bei einer Wassersuche in der Nähe von Tr. ka*m 
ein Beamter des großen Werkes mit seinem 
Motorrad. Später saß dieser Beamte mit Irlmaier 
in der Werkkantine beisammen. Bei dieser Ge- 
legenheit warnte der Seher den Beamten. Er 
solle das Motorradfahren aufgeben, da er ein 
Unglück voraussehe, das sich in vierzehn Tagen 
ereignen werde. Aber der Herr erklärte lachend, 
daß er nun schon so lange fahre und nie sei 
ihm etwas passiert. Audi könne er aus beruf- 


lichen Gründen das Fahren nicht aufgeben. Irl- 
maier habe sich diesmal sicher getäuscht. Leider 
erfüllte sich die Voraussage des Hellsehers. Nach 
vierzehn Tagen verunglückte der Beamte mit 
seinem Motorrad tödlich. 

Der schwarze Qualm 

Von Wiesmühl nach Tittmoning führt eine Neben- 
strecke der Eisenbahn. Die Linie wird bei der 
Ortschaft Kay rechtwinklig von der Landstraße 
geschnitten. Schranken sind dort nicht angebracht. 
Eines Tages unterhielt sich Irlmaier mit einem 
Herrn der Umgebung und warnte ihn mit der 
Mahnung zu größter Vorsicht. Er sehe ein zer- 
störtes Auto und einen dicken schwarzen Qualm, 
könne aber keine näheren Einzelheiten erkennen. 
Der Autofahrer aber lachte nur und meinte, er 
werde schon aufpassen und fahre seit Jahren 
ohne Unfall. Kurze Zeit darauf kam der Auto- 
fahrer in einem flotten Tempo an die oben ge- 
nannte Kreuzung. Der Zug erfaßte den Kraft- 
wagen, die zwei Insassen waren tot. Eine dicke 
schwarze Wolke stand über der Unglücksstelle, 
da das Benzin explodierte. 

Der Tote in der Isar 

In der Nähe Münchens war ein Mann, der in- 
folge Kriegsverletzungen an einer Gemütsdepres- 
sion litt, spurlos verschwunden. Sein Bruder kam 
mit Irlmaier anläßlich einer Quellensuche zu- 
sammen und klagte über das ungewisse Schicksal 
des Vermißten, worauf ihm der Hellseher un- 


84 


85 


verblümt sagte: „Dein Bruder ist ins Wasser ge- 
gangen und hat Selbstmord verübt. Ich sehe seine 
Leiche in der Isar liegen.“ Irlmaier führte dann 
den Bruder den Weg vom Haus weg durch die 
Auen und zeigte ihm den Platz, an dem der 
Unglückliche in die Isar sprang. Er deutete 
auch den Liegeplatz der Leiche an, doch konnte 
wegen des Winters eine Suchaktion nicht durch - 
geführt werden. Zwei Monate später, als das Eis 
gebrochen war, wurde dann in nächster Nähe des 
bezeichneten Platzes die Leiche gefunden. 

Der verlorne Schmack 

Als im Jahre 1945 die Amerikaner von Westen 
und die Russen von Osten immer näher heran- 
kamen, da haben die Leute ihren Schmuck viel- 
fach vergraben. Das tat auch ein Bauer, der ver- 
schiedene Kostbarkeiten in eine Schachtel ver- 
packte und diese dann in einer Grube versteckte, 
ln den wirren Zeitläuften nach dem Krieg, als 
die Unsicherheit auf dem Lande noch sehr groß 
war, wurde der Platz des vergrabenen Schmuckes 
vergessen. Als man nachforschte, war nichts zu 
finden. Der Bauer hörte von dem Hellseher in 
Freilassing und bat ihn zu kommen. Irlmaier 
fand den Platz aber erklärte dann: „Hier ist ein 
Baum gestanden. In dessen Wurzelballen sehe ich 
die Schachtel mit den Goldsachen. Nun erinnerte 
sich der Landwirt, daß er den Baum an einen 
Bekannten verkauft hatte. Der betreffende Baum 
war noch auf dem Lagerplatz und tatsächlich 
kam aus dem Wurzelballen der vermißte Schmuck 
zum Vorschein. 


Der Giftmord in Tr. 

Zum Abschluß dieser Episoden, deren uns einige 
Hundert vorliegen, wollen wir einen Fall schil- 
dern, den der Verfasser selbst miterlebte. Alle 
Personen dieses Berichtes, mit Ausschluß aller- 
dings der Giftmörderin, sind dem Verfasser 
persönlich bekannt. Der Ermordete war mit dem 
Verfasser im gleichen Wildbad, sein „Krankheits- 
verlauf“ ist bekannt und ärztlich registriert, die 
Akten des Prozesses am Landgericht Tr. sind 
jederzeit greifbar. Es handelt sich hier also um 
gerichtsbekannte Tatsachen, an denen nicht zu 
deuteln und zu rütteln ist. Der Prozeß spielte 
sich im Februar 1952 ab. Die Vorgeschichte ist 
kurz zusammengefaßt folgende: 

Zu dem Hellseher Irlmaier in Freilassing kam 
eines Tages eine gewisse Frau V. aus Berlin, 
deren Mann Erhard V. von ihr getrennt lebte 
und nach dem Krieg mit einer Paula K. ein 
pharmazeutisches Geschäft eröffnet hatte. Paula K. 
war zunächst Angestellte, dann Geschäftsführerin 
und schließlich die Geliebte von V. Dieser hatte 
angeblich nicht gewußt, daß seine Frau in Berlin, 
von der er nach einem Bombenangriff getrennt 
wurde, noch lebte. V. hatte seiner Geliebten ein 
Heiratsversprechen gegeben, als plötzlich die recht- 
mäßige Frau in Tr. auftauchte und ihre Rechte 
geltend machte. Es gab einen dunklen Punkt im 
Leben des V. Angeblich hatte er in seinem Frage- 
bogen verschwiegen, daß er seinerzeit bei der 
SS gewesen war. Das wußte seine Geliebte und 


86 


erpreßte V. mit einer Anzeige fiir diese Sache, 
die damals von den Amerikanern mit ^schwerer 
Strafe bedroht war. Infolgedessen gab es mit der 
Frau des V. schwere Auseinandersetzungen, da 
von seiten des Mannes Scheidung verlangt wurde. 
In dieser seelischen Not kam die Frau zu Irl- 
maier, der sie tröstete und sagte: „Tu gar nichts 
jetzt, Dein Mann stirbt bald!“ Inzwischen war 
V. nach einer Bergtour mit der K. schwer er- 
krankt. Er kam in das nahe gelegene Wildbad A. 
zur Erholung, wo er dem Verfasser erzählte, 
während einer Reise sei er mit einem unbekann- 
ten Krankheitskeim infiziert worden. Trotzdem 
er Protestant war, sang er in dem Krankenhaus 
mit seinem schönen Bariton Marienliedcr und 
konvertierte später. Sein Zustand besserte sich 
bedeutend, bis nach einem Besuch der K. plötz- 
lich eine erneute heftige Verschlechterung ein- 
trat. Als V. aus Tr. verschwunden war, ging die 
Ehefrau wieder zu Irlmaier und klagte, daß ihr 
Mann plötzlich verschwunden sei. Irlmaier sagte 
ihr, daß er wieder in Bad A. weile, beschrieb 
ihr sogar sein Zimmer im zweiten Stock, wo sic 
ihn auch fand. Es gab eine heftige Szene. Darauf 
wurde der Frau der Besuch des Schwerkranken 
untersagt. V. ging dann auf Zureden der K. in 
seine Wohnung in Tr. und starb daselbst am 
23. Januar 1952. Bei der Testamentseröffnung 
stellte sich heraus, daß der Verstorbene die K. 
als Alleinerbin eingesetzt hatte. Als die Frau V. 
deswegen Verdacht .schöpfte und wieder zu lrl- 
maier nach Freilassing fuhr, sagte ihr der Hell- 
seher: „Ich sehe Deinen Mann im frischen Grab 
liegen. In seinem Leib sind eine Anzahl Gift- 


88 



bereits gestorben war. Die K. war tatsächlich 
eine stattliche Erscheinung mit schwarzen Haaren. 
Auf Anzeige bei dem Staatsanwalt in Tr. wurde 
die Leiche des V. exhumiert. Es konnte soviel 
Arsen im Körper des Toten festgestellt werden, 
daß sogar die Erde unter dem Sarg der Leiche 


tabletten. Wenn Du ihn ausgraben läßt, erfährst 
noch mehr. Dreimal ist es geschehen und da ist 
eine große Schwarze dabei, die hat es ihm ge- 
geben.“' Irlmaier konnte es nicht wissen, daß V. 


Irlmaier 



von dem Gift durchsetzt war. Sie zeigte dreißig- 
mal so viel Arsenik als die andere Friedhoferde. 
Daraufhin wurde die K. verhaftet. Im Verlauf 
des Prozesses wurde festgestellt, daß in der phar- 
mazeutischen Handlung des V. Arsenik-Tabletten 
jederzeit zur Verfügung der Angeklagten standen, 
daß die unerklärlichen Rückfälle der Krankheit 
jedesmal nach dem Besuch der Mörderin ein- 
traten. Da bei der K. eine fortschreitende Gehirn- 
erkrankung festgestellt wurde, kam sie in eine 
Heilanstalt. 

Einwandfrei steht fest, daß durch den Hellseher 
Irlmaier dieser Giftmord entdeckt und aufgeklärt 
wurde. Daß der Verteidiger in dem Schwur- 
gerichtsprozeß den einfachen Brunnenmacher mit 
Spott abzutun suchte, ist seine Sache. Den Tat- 
bestand konnte er nicht leugnen. Wer aber er- 
klärt die geheime Kraft des menschlichen Geistes 
und seine Fähigkeit, den Toten im Grab zu sehen 
mit den Gifttabletten? Die Täterin zu beschreiben, 
den Mord vorauszusagen? Man mag das alles 
ruhig ins Lächerliche ziehen, daß es Hellseher 
gibt kann niemand ernstlich leugnen. Deshalb 
bringen wir auch das Zukunftsgesicht Irlmaiers, 
ob cs sich nun erfüllt oder nicht, das liegt in 
Gottes Hand. 

Die kommende Zeit 

Bekanntlich hat sich die Voraussage Irlmaiers 
über den Dritten Weltkrieg in bezug auf das 
Jahr 1950 nicht erfüllt. Eine Erklärung Irl- 
maiers besagt, daß er die Zahl, die er gesehen 
hat, selbst ausdeutete, daß aber auch durch die 


90 


Fürbitte der Jungfrau Maria das Unheil ab- 
gewendet wurde. Als der Hellseher mehrmals ein- 
dringlich gefragt wurde, ob denn das Gesicht 
dieser zukünftigen Ereignisse verschwunden sei, 
teilte er mit, dies sei keineswegs der Fall. Im 
Gegenteil sehe er die Gesichte immer deutlicher 
herankommen. Aber das erste Zeichen sei eine 
Mordtat an einem „Hochgestellten“ südöstlich 
von uns. 

Ueber Nacht gehts los 

Wenn dieser dritte politische Mord (Gandhi und 
Graf Bernadottc die ersten zwei) geschehen ist, 
dann beginnt es. Ueber Nacht geht es an, dann 
kommen sie daher, ganz schwarz über den Wald 
herein. So schnell kommen sie, daß die Bauern 
am Wirtstisch beieinandersitzen, da schauen die 
fremden Soldaten schon bei den Türen und Fen- 
stern herein. Weg kommt nicht leicht mehr einer, 
aber es geht alles so schnell vorüber, daß man 
es nicht glaubt. 

Drei Stoßkeile 

Die Zeit ist nahe. Drei Stoßkeile sehe ich heran- 
fluten. Der untere Heerwurm kommt über den 
Wald daher, zieht sich dann aber nordwestlich 
der Donau hinauf. Die Linie ist etwa Prag, 
Bayerwald und Nordwesten. Das blaue Wasser 
(Donau) ist die südliche Grenze. Der zweite 
Stoßkeil geht von Ost nach West über Sachsen, 
der dritte von Nordosten nach Südwesten. Jetzt 
sehe ich die Erde wie eine Kugel vor mir, auf 

91 


der die Linien der Flugzeuge hervortreten, die 
nunmehr wie Schwärme von weißen Tauben aus 
dem Sand auffliegen. 

Der Todesgürtel 

Der Russe rennt in seinen drei Keilen dahin, sie 
halten sich nirgends auf, Tag und Nacht rennen 
sie bis ans Ruhrgebiet, wo die vielen Oefen und 
Kamine stehen. Aber dann kommen die weißen 
Tauben und es regnet auf einmal ganz gelb vom 
Himmel herunter. Eine klare Nacht wird es 
sein, wenn sie zu werfen anfangen. Die Panzer 
rollen noch, aber die Fahrer sind schon tot. Dort, 
wo es hinfällt, lebt nichts mehr, kein Mensch, 
kein Vieh, kein Baum, kein Gras, das wird welk 
und schwarz. Die Häuser stehen noch. Was das 
ist, weiß ich nicht und kann ich nicht sagen. 
Es ist ein langer Strich. Wer darüber geht, stirbt. 
Von Prag gehts hinauf bis ans große Wasser an 
eine Bucht. In diesem Strich ist alles hin. Dort, 
wo es angeht, ist eine Stadt ein Steinhaufen. 
Den Namen der Stadt darf ich nicht sagen. Nach 
dem sehe ich, daß niemand mehr darüber kann. 
Die herent sind, können nicht mehr zurück, die 
Drcntern (Drüberen) können nicht mehr herüber. 
Dann bricht bei den Ilerentern alles zusammen 
(bei den eingedrungenen Heeressäulen. D. V.). 
Zurück kommt keiner mehr. 

Welche Jahreszeit es ist? Trüb, regnerisch und 
Schnee durcheinander, vielleicht Tauwetter. Die 
Berg haben oben Schnee, aber herunten ist es 
aper (herbstliches Land?). Gelb schaut es her. 
Ich sehe vorher ein Erdbeben. Der Koreakrieg 


92 


ist aus (diese Aussage stammt vom 7. Dezember 
1952. D. V.). 


Wie lang dauerts? 

Das kann ich nicht genau sagen. Ich sehe eine 
Zahl vor mir, das ist ein Dreier. Ich weiß aber 
nicht, sind es drei Tage oder drei Wochen oder 
Monate, ich kann es nicht sagen. Unsere jun- 
gen Leute müssen noch einrücken, Freiwillige 
werden noch in die Kämpfe verwickelt, die 
andern müssen fort zur Besatzung und werden 
drei Sommer dort bleiben, bis sie wieder heim- 
komrnen. Dann ist Frieden und ich sehe die 
Weihnachtsbäume brennen. Aufs Hauptquartier 
schmeißens was runter, eine Kirche sehe ich auf 
einem Berg, der Altar schaut nach Norden, die 
Kirche seh ich brennen. Aber über das blaue 
Wasser kommens nicht herüber. Da breitet die 
liebe Frau von Altötting den Mantel aus über 
den „Saurüssel“ (volkstümliche Bezeichnung Süd- 
ost-Bayerns. D. V.). Da kommt keiner her. Aber 
die Städter gehen aufs Land zu den Bauern und 
holen das Vieh aus dem Stall bei denen, die 
keine Bauern sind und keine Händ zur Arbeit 
haben. 

Der Verlauf der Katastrophe in anderen 
Ländern 

Drei Städte seh ich untergehen, die eine im 
Süden versinkt im Schlamm, die andere im Nor- 
den geht im Wasser unter, die dritte ist über 
dem Wasser. Die Stadt mit dein eisernen Turm 


93 


geht im Feuer unter, aber nicht durch den 
Krieg. Die eigenen Leute zünden an, Revolution 
wird sein. Im Stiefelland geht es auch drunter 
und drüber, viele Geistliche werden grausam 
umgebracht, wenig werden übrigbleibcn von 
denen,- die nicht flüchten können. Ich sehe eine 
rote Masse und gelbe Gesichter sehe ich da- 
zwischen und gegen Süden zu. Der Papst kommt 
ihnen aber aus und flüchtet im Pilgergewand 
übers Wasser oder ans Wasser. (Vergleiche die 
Weissagung des Malachias: Pastor et nauta — 
Hirte und Schiffer! D. V.) Dort nimmt er sei- 
nen Sitz auf kurze Zeit, kehrt aber wieder zu- 
rück, wenn die Ruhe wieder hergestellt ist. 

Das Bergland wird von Norden und Süden ein 
wenig hineingezogen, im Osten des Landes aber 
ist Ruhe. Die Länder am Meer (Holland, Bel- 
gien, deutsche Küste, Dänemark) sind vom Was- 
ser schwer gefährdet. Das Meer ist sehr unruhig, 
haushoch gehen die Wellen, schäumen tut es, 
als ob es unterirdisch kochte. Inseln verschwin- 
den und das Klima ändert sich (Ablenkung des 
Golfstromes? D. V.). Ein Teil der stolzen Insel 
versinkt, wenn das Ding ins Meer fällt, das der 
Flieger hineinschmeißt. Dann hebt sich das Was- 
ser wie ein festes Stück und fällt wieder zurück. 
Was das ist, weiß ich nicht. Wann es kommt, 
weiß ich nicht. Der Krieg im Osten ist aus und 
der dritte Mord ist geschehen. Drei Neuner sehe 
ich, was das bedeutet, kann ich nicht sagen. Der 
dritte Neuner bringt den Frieden. 

Während oder am Ende des Krieges seh ich am 
Himmel das Zeichen, der Gekreuzigte mit den 
Wundmalen, und alle werden es sehen. Ich 


hab cs schon dreimal gesehen, es kommt ganz 
gewiß. 

Im Osten aber bricht ein grausiges Morden an, 
.die Leute raufen untereinander. Dann kommt das 
Kreuz wieder zu Ehren. 

Nach der Katastrophe 

Wenn alles vorbei ist, da ist ein Teil der Be- 
wohner dahin und die Leut sind wieder gottes- 
fürehtig. Frieden wird es dann sein und eine gute 
Zeit. Eine Krone seh ich blitzen, ein König- 
reich, ein Kaiserreich wird entstehen. Einen alten 
Mann, an „hageren Greis“ seh ich, der wird unser 
König sein. Der Papst, der sich kurze Zeit übers 
Wasser flüchten mußte, während die hohen Geist- 
lichen scharenweis „schiach“ umgebracht wurden, 
kehrt nach kurzer Zeit wieder zurück. Blumen 
blühen auf den Wiesen, da kommt er zurück. 
Wenns herbstein tut, sammeln sich die Leut in 
Frieden. Aber mehr Menschen sind tot als in den 
ersten zwei Weltkriegen zusammen. Zuerst ist 
noch eine Hungersnot, aber dann kommen so viel 
Lebensmittel herein, daß alle satt werden. Die 
landlosen Leut ziehen jetzt dahin, wo die Wüste 
entstanden ist, und jeder kann siedeln, wo er 
mag, und Land haben, soviel er anbauen kann. 
D Leut sind wenig und der Kramer steht vor 
der Tür und sagt: „Kaufts mir was ab, sonst 
geh i drauf.“' Bei uns wird wieder Wein baut 
und Südfrüchte wachsen, es ist viel wärmer als 
jetzt. Nach der großen Katastrophe wird eine 
lange, glückliche Zeit kommen. Wer’s erlebt, dem 
gchts gut, der kann sich glücklich preisen. 


94 


95 


Nachwort 


Auch dem Irlmaier ging es wie jedem, der es 
wagt, den Leuten etwas Unangenehmes voraus- 
zusagen. Erstens glaubt man ihm nicht und zwei- 
tens wird der unglückliche Hellseher persönlich 
in der widerlichsten Form angegriffen. Und da- 
bei wäre es so einfach. Wer diese Dinge nicht 
glaubt, soll es doch bleiben lassen. Es wird sich 
ja herausstellen, Avas kommt. Den anderen Zeit- 
genossen, die mit uns zwei Weltkriege mit allen 
Schrecken und Folgen erlebt haben, rufen Avir 
den Vers des Psalmes 90 zu: 

„Nun brauchst du keinen Schrecken 
In der Nacht zu fürchten, 

Und keinen Pfeil, der dich am Tage trifft, 

Auch nicht die Seuche, die im Finstern schleicht, 
Noch das Verderben, das am Mittag schlägt. 

An deiner Seite fallen Tausende, 

Zehntausende zu deiner Rechten: 

An dich kommt nichts heran. 
Gleichwohl Avirst du’s mit deinen Augen schauen 
Und die Vergeltung an den Sündern sehen.” 

Unserem Volke wünschen wir den Schutz Gottes 
und unserer Lieben Frau, jedem einzelnen nach 
diesen Schrecken eine gute Heimfahrt in die 
EAvigkeit. 

Traunstein, am Tag des hl. Sebastian 1955. 

Dr. C. Adhnaier! 


96 




= s 

Auf Ersuchen des Herrn Alois Irlmaier in Frei- 
| lassing bitten wir alle Leser dieses Büchleins, | 
| weder einen Brief an Irlmaier abzusenden, noch | 
| den Versuch zu machen, ihn persönlich zu f 
1 sprechen. Herr Irlmaier ist nicht mehr in der 1 
I Lage, irgend jemand zu empfangen. Er will nur | 
| noch seinen Beruf als Brunnenmacher und Was- | 
| 6crsuchcr ausüben. Auch der Verfasser dieser § 
| Broschüre kann keine Briefe mehr an Herrn Irl- | 
muier weiterbefördern. 

iiiimiiiiimiiMiiiimi ihm < mihi?